Ein Vierteljahrhundert lang war er Rennfahrer von Berufes wegen – und einer der (verbal) spektakulärsten noch dazu. Inzwischen schlägt Uwe Alzen auffallend ruhigere Töne an. Dabei hat der Betzdorfer am Volant nichts verlernt, wie sein Doppelsieg beim DMV GTC in Dijon-Prénois Ende April mit einem Lamborghini Huracan GT3 eindrucksvoll unter Beweis stellte. Neue Betätigungsfelder sind in den Fokus des inzwischen 50-Jährigen gerückt. Der Wandlungsprozess vom beinharten Kämpfer zum anspruchsvollen Dienstleister ist in vollem Gange. Carsten Krome traf ihn, der im Oktober 1987 auf der geliebten Nürburgring-Nordschleife mit dem Ford Capri Cosworth seines Vaters Dieter Alzen das erste Autorennen seines Lebens fuhr, am Rande des Peroni Race Weekends in Monza, Norditalien.

In Summe weit über 10.000 Fans erreicht: DTM-Star Uwe Alzen im Livestream-Studio mit Moderator Carsten Krome am Hockenheimring sowie im späteren re-Live.
Carsten Krome: “Uwe Alzen – nicht unser erstes Interview, aber das erste im Königlichen Park von Monza in der Lombardei. Du bist soeben aus dem Rennauto gestiegen, obendrein einer aktuellen FIA-GT3-Version von AMG-Mercedes. Ein Porsche 911 GT3 Cup mit 485 PS ist Dir rundenlang auf der Nase herumgetanzt, aufgrund der überragenden Topspeed des Porsche kamst Du nicht vorbei, dennoch bist Du entspannt wie selten zuvor – welche Wandlung spielt sich da in Dir ab?”
Uwe Alzen: “Ich war ein Vierteljahrhundert Profi, ich durfte 20 Jahre lang Rennen für die besten Automobil-Hersteller fahren – das war ein toller Lebensabschnitt, ich hatte und ich habe ein wirklich gutes Leben. Aber ich bin jetzt 50, da gelten andere Maßstäbe. Ich bin zum Beispiel mehr als happy, mit so tollen Leuten wie Dietmar Haggenmüller, den ich schon lange kenne, und seiner Lebensgefährtin Suzanne Weidt im DMV GTC sowie im DUNLOP 60 zusammenzuarbeiten.”
Carsten Krome: “In den Einstunden-Rennen des DUNLOP 60 teilst Du Dir mit Fahrzeugbesitzer Dietmar Haggenmüller das Cockpit eines AMG-Mercedes GT3, dem Du soeben entstiegen bist. Du bist Coach und Referenzfahrer dieses Teams. Dasselbe gilt auch für Suzanne Weidt und ihren Lamborghini Huracan GT3, mit dem Du in Dijon-Prénois im April zum Doppelsieg gefahren bist. Wie kamst Du zu dieser Équipe aus Memmingen im Allgäu, welche Rolle – abgesehen von der allzu offensichtlichen als Fahrer – spielst Du dort?”
Uwe Alzen: “Ich bin mit meinem Team von Uwe Alzen Automotive für den Einsatz der Fahrzeuge von Spirit Racing – dem Rennstall von Dietmar Haggenmüller und Suzanne Weidt – verantwortlich. Neben meinen Aufgaben als Coach und Referenzfahrer übernimmt meine Technikertruppe bei den Rennen des DMV GTC und des DUNLOP 60 auch die technische Betreuung. Das betrifft sowohl den AMG-Mercedes GT3 als auch den Lamborghini Huracan GT3 – und ein GT4-Audi für Jean-Luc Weidt ist auch noch mit dabei.”
Carsten Krome: “Als Fahrer teilst Du Dir in den Einstunden-Rennen des DUNLOP 60 das Cockpit des AMG-Mercedes GT3 mit Dietmar Haggenmüller, In den 30-Minuten-Sprints des DMV GTC hast Du bisher nur dann ins Lenkrad gegriffen, wenn Suzanne Weidt verletzungsbedingt aussetzen musste. In Dijon-Prénois Ende April führte das zu einem Doppelsieg. Natürlich hast Du von Deiner Klasse, die vor exakt zwei Jahrzehnten zur Berufung zum Porsche-Werksfahrer führte, nichts eingebüßt – fällt es Dir eigentlich schwer, den Kunden inzwischen den Vortritt lassen zu müssen?”
Uwe Alzen: “Überhaupt nicht – ganz im Gegenteil: Wir arbeiten sehr gerne und sehr gut zusammen! Das Ganze hat sich im vergangenen Jahr eher aus einem Zufall heraus am Nürburgring ergeben. Den beiden fehlte ein Einsatzpartner beim DMV GTC und DUNLOP 60, ich bin dann mit meiner Mannschaft spontan eingesprungen – das war die Initialzündung. Wir haben uns auf Anhieb verstanden.. Hinzu kommt, dass Ralph und Lena Monschauer eine großartige Rennserie organisieren – es macht einfach Spaß hier!”
Carsten Krome: “Was ist denn das Besondere am DMV GTC und DUNLOP 60, zumal ja viele andere Rennformate wie die Langstrecken-Meisterschaft Nürburgring – in Kurzform VLN – die Blancpain-Meisterschaft oder auch die Creventic mit ihren 12- und 24-Stunden-Rennen für sich in Anspruch nehmen, hochwertigen Kundensport in den Fokus zu setzen? Du selbst nimmst mit Deinem Team Uwe Alzen Automotive und einem neuen Porsche 911 GT3 Cup MR von Manthey-Racing ja auch an der VLN teil. Was also macht den Unterschied aus?”
Uwe Alzen: “Einfach das Gesamtpaket! Kundenpiloten haben die Möglichkeit, zu gewinnen. Das ist für Erfolgsmenschen, die zum Teil große Unternehmen führen, ein wichtiger Aspekt. Heinz Remmen, mein treuester und langjährigster Sponsorpartner, der mich seit einem Vierteljahrhundert und noch länger unterstützt, ist auch als Rennfahrer erfolgreich gewesen. 1995 gewann er als Endvierziger mit seinem Porsche die Spezial Tourenwagen Trophy. Und nun sind Ralph und Lena Monschauer am Zug – ich wünsche ihnen, dass sie mit ihrem guten Konzept in die Gewinnzone fahren, da wird einfach mehr geboten als anderswo!”
Carsten Krome: “Grundsätzlich könntest Du Deinen Porsche 911 GT3 Cup-MR, den Manthey-Racing im Frühjahr 2018 an Dich ausgeliefert hat, auch im DMV GTC sowie im DUNLOP 60 einsetzen. Statt dessen haben Deine Piloten dreimal schon die SP7-Kategorie innerhalb der Langstrecken-Meisterschaft gewinnen können. Ist dieses Bekenntnis zur VLN in letzter Konsequenz auf Deinen engen Bezug zur Nürburgring-Nordschleife, auf der Du 1987 Dein erstes Autorennen mit dem Ford Capri Deines Vaters Dieter Alzen gefahren bist, zurückzuführen?”
Uwe Alzen: “Natürlich wird die Nordschleife für mich immer ein sehr spezielles Thema sein. Aber es ist für mich einerseits an der Zeit, den Platz für die nachrückende Fahrergeneration freizuräumen. Und auf der anderen Seite stehen in meiner Firma in Betzdorf zwei durch uns neuwertig aufgebaute Audi R8 LMS ultra, die im DMV GTC in der GT3-Classics-Wertung eingesetzt werden könnten. Ich beabsichtige tatsächlich, dies zu tun, denn das Interesse ist da. Nun muss ganz einfach der richtige Kunde kommen.”
Carsten Krome: “In der allgemeinen, mitunter vielleicht auch etwas oberflächlichen Wahrnehmung bist Du spätestens seit dem Titelgewinn im Porxche Carrera Cup 1992, damals noch mit dem Typ 964, Profi-Rennfahrer. Dass Du parallel dazu mit Deinem Unternehmen Uwe Alzen Automotive Fullservice-Dienstleister für anspruchsvolle Rennsport-Klienten wie Dietmar Haggenmüller und Suzanne Weidt bist, ist weniger bekannt. Was gehört zu Deinem Portfolio, wieviele Mitarbeiter beschäftigst Du?”
Uwe Alzen: “Mein Team ist prinzipiell seit 2009 zusammen, damals haben wir in eigener Regie einen Porsche 911 GT3 Cup 3.6 – das schwarz-grüne ‘Music Monster’ – bei den Langstreckenrennen auf der Nürburgring-Nordschleife eingesetzt. Wir können unsere Mannschaftsstärke nach Bedarf herauf- und wieder herunterskalieren. In der VLN kommen zu drei bis vier festen Mitarbeitern nochmals zwischen sechs und acht Freelancern dazu, so dass wir maximal zwölf Personen bei den Rennen sind.”
Carsten Krome: “Gilt das für sämtliche Motorsport-Einsätze, also auch für DMV GTC und DUNLOP 60? Stimmt es eigentlich, dass Uwe Alzen Automotive die jahrzehntelange Erfahrung, insbesondere auf dem Sportwagen-Sektor, in Restaurationsprojekten aufgreift? Du hast immer als ein kompromissloser Perfektionist gegolten, der mit Unzulänglichkeiten nicht leben kann. Diese Eigenschaft ist doch gerade dann gefragt, wenn es um die professionelle Aufarbeitung alter, wertvoller Autos geht!”
Uwe Alzen: “Das stimmt tatsächlich – wir haben bereits einen Ascari und einen BMW M1 von Grund auf neu aufgebaut. Überhaupt beschäftigt mich der historische Motorsport, seit ich 2006 zusammen mit Klaus Ludwig das Youngtimer-Rennen über 500 Kilometer auf der Nürburgring-Nordschleife auf dem grünen Porsche Carrera RSR Gruppe H von Horst Derkum gewonnen habe. Gemeinsam mit Michael Roock aus Leverkusen bin ich beim Le Mans Classic ein ähnliches Auto gefahren. 2016 haben wir uns damit schon einmal das so genannte ‘Plateau 6’ bei dieser Mega-Veranstaltung gesichert.”
Carsten Krome: “Bleiben wir beim historischen Motorsport! Die Tourenwagen Classics für klassische DTM-Fahrzeuge sind in aller Munde – nicht erst, seit ein Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife im Gespräch war. Auch ehemalige Fahrerkollegen wie Klaus Ludwig starten zumindest bei ausgesuchten Veranstaltungen, oft auch im Rahmen der heutigen DTM. Du hast Deinen DTM-Einstand 1993 auf dem Komet-Mercedes 190E 2.5-16 Evo gegeben und bist beim letzten DTM-Rennen auf Deiner Hausstrecke, der Nürburgring-Nordschleife mitgefahren. Reizen auch Dich die Tourenwagen Classics?”
Uwe Alzen: “Ich habe mich mit dieser Rennserie noch nicht beschäftigt. Über die DTM-Saison 1993 kann ich sagen, dass es ein semi-privater Einsatz von Ingmar Persson auf Briggestone-Reifen gewesen ist. Ich erhielt die Entwicklungsreifen, die Mercedes-Werksfahrer Bernd Schneider in den Qualifyings verwendete. Es war unglaublich, was damit ging! Der Grip war einfach nicht nicht zu fassen, eine geile Saison mit einem geilen Auto. Und natürlich ist es auf der Nordschleife an den entscheidenden Stellen auch in die Luft gestiegen.”
Carsten Krome: “Die Mercedes-C-Klasse, mit der Du 1995 in der DTM angetreten bist, übrigens das Vorjahres-Chassis von Ellen Lohr, hat die Tourenwagen Classics in der vergangenen Saison gewonnen. Thorsten Stadler aus Hannoversch-Münden war Restaurateur und Fahrer in Personalunion. Eigentlich bist Du inzwischen in einer ähnlichen Doppelrolle wie er – und nach wie vor der Marke Mercedes-Benz eng verbunden!”
Uwe Alzen: “Das stimmt. Für AMG-Mercedes habe ich im vergangenen Jahr ein Entwicklungsprojekt für die GT4-Kategorie begleiten dürfen – ein schöner Auftrag, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich finde, dass man grundsätzlich nicht breit genug aufgestellt sein kann und bin überall dort aktiv, wo ich meine Erfahrung einbringen kann. Ja, und nebenbei bin ich auch zweifacher Familienvater, habe eine siebenjährige Tochter und einen vierjährigen Sohn – ich habe eine tolle Family, ich bin sehr zufrieden.”
Carsten Krome: “Stimmst Du mir zu, dass sich in Dir ein auffälliger Wandlungsprozess vollzogen hat? Bis Du 1996 zum Opel-Werksfahrer in der ITC berufen wurdest, musstest Du Dich ohne großes Geld im Rücken durchsetzen. Dein Vater Dieter Alzen war zwar ebenfalls Tourenwagen-Rennfahrer und sogar in der legendären Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft aktiv, dennoch musstest Du Deinen Cup-Porsche, mit dem Du 1992 im Carrera Cup den Titel einfahren konntest, selbst finanzieren. Wie sehr hat Dich diese Zeit geprägt?”
Uwe Alzen: “Es waren harte Jahre, zumal ich den Anspruch hatte, mich als Profi zu etablieren. Daraus ist eine starke Verbundenheit zu langjährigen Partnern wie Heinz Remmen von H&R Spezialfedern oder der Marke Porsche entstanden. Auch im H&R-Porsche 911 GT3 Cup-MR werde ich in der Langstrecken-Meisterschaft Nürburgring noch einige Male als Rennfahrer zu sehen sein. Dennoch, und darin gebe ich Dir Recht, ist mir meine Work-Life-Balance heute wichtiger denn je. Das was nicht immer so.”
Carsten Krome: “Gehört dazu auch, einem Renngegner wie Manuel Lauck, der im DUNLOP 60 einen aktuellen Porsche 911 GT3 Cup pilotiert, nach einem verlorenen Hochgeschwindigkeits-Duell wie hier in Monza zu gratulieren – früher hätte man sich nach einer solchen Partie auf ein zünftiges Rededuell mit lauter starken Sprüchen einstellen dürfen. Inzwischen bleibst Du, wohlgemerkt im eigentlich stärkeren AMG-Mercedes Gt3 von Dietmar Haggenmüller, hinter ihm im Windschatten und verzichtest auf einen Angriff auf Biegen und Brechen.”
Uwe Alzen: “Manuel Lauck ist wirklich stark und am Limit gefahren. Hinzu kommt, dass wir in Monza aufgrund der vorgeschriebenen Begrenzung der Ansaugluftmenge in den GT3-Fahrzeugen die 280 km/h Topspeed der schnellsten Cup-Porsche nicht ganz erreichen. Wir haben mehr aerodynamischen Abtrieb in den Kurven, aber das reicht hier eben nicht zum Ausgleich. Das ist auf der Nordschleife in der VLN ja nicht anders – als Profi lernst Du, sowas zu akzeptieren und es nicht mit der Brechstange zu versuchen.”
Carsten Krome: “Dann sei dem neuen Uwe Alzen auch in seinem jetzigen Lebensabschnitt viel Erfolg gewünscht – und vielleicht mal einen Gaststart mit dem hauseigenen SP7-Porsche im DMV GTC und im DUNLOP 60. Danke für dieses Gespräch!”
Uwe Alzen: “Ich habe zu danken!”
Das Gespräch führte Carsten Krome.
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