1992er Porsche 911 Carrera 4 Coupé (Typ 964) – Aufbau im Werks-turbo-Look (Optionsnummer M 491) 0110

© Carsten Krome Netzwerkeins

Nicht mehr als 14 Exemplare des 911 Carrera 4 Coupés (Generation 964) sollen im Porsche-Werk in der Aufpreisfarbe ‚British Racing Green‘ ausgeliefert worden sein. Ein Wahl-Eidgenosse, in Marburg geboren und als Student vorübergehend in London wohnhaft, erwarb eins dieser seltenen Fahrzeuge – in Schmalversion. Nach einem Jahr auf den Straßen des Alpenlandes wünschte sich der Bankier einen Umbau in den Look des Porsche 911 turbo II (Typ 964). Sechs deutsche Werkstätten besichtigte er, bevor er seinen Auftrag platzierte. Die Wahl fiel nach einem Beratungsgespräch im Juli 2016 auf AP Car Design in Göttingen. Thomas Nater, der seit mehr als 20 Jahren in der Verantwortung für den Fachbetrieb in der Mitte Deutschlands steht, traf den Nerv des Interessenten. Er riet zu einer Vollrestaurierung, die sowohl den Original-Farbton als auch das gegebene Antriebskonzept beibehalten würde. Der Neukunde wollte auf den Allradantrieb keinesfalls verzichten, er wünschte sich einen revidierten Saugmotor mit 3,8 Litern Hubraum und einen möglichst komfortabel ausgestatteten Innenraum, um seine zwei Kinder mitnehmen zu können. Obwohl der alte Lack bis aufs nackte Blech abgetragen werden musste, stand ein Farbwechsel niemals zur Debatte. Nach dem turbo-Look-Upgrade sollte abermals in ‚British Racing Green‘ lackiert werden. Nicht nur Werterhalt war das Gebot der Stunde, sondern weitere Wertentwicklung, sprich: Zuwachs. Obschon die Original-Umrüstteile aus dem Porsche-Werk mit 16.000 Euro angesetzt werden müssen, gab es dazu keine Alternative. Das schmale Allrad-Coupé war vor 25 Jahren über den eidgenössischen Importeur, die AMAG, ausgeliefert worden und gut dokumentiert. Bei einer Laufleistung von plusminus 200.000 Kilometern und einer mittleren Zustandsnote boten sich zeitgleich umfassende Revisions- und Umrüstmaßnahmen an. Auf den Punkt gebracht: das ganze Programm. Zehn Monate Projektdauer waren angesetzt, freilich sollte es trotz der großzügigen Zeitrechnung in den Tagen vor dem 1. Mai 2017 nochmals eng werden. Beim Clubday der Porschefreunde auf der Trabrennbahn Dinslaken sollte eigentlich die öffentliche Übergabe an den Besteller erfolgen. Es kam natürlich anders, wie bei Vorhaben dieser Größenordnung üblich.

Der Prozess startete naturgemäß mit dem Zerlegen des Serienfahrzeugs. „Diese Fahrzeuge werden 25 Jahre alt und älter“, beschreibt Thomas Nater seine Beobachtungen, „die Revisionsumfänge werden mit der Zeit größer. Das ist ein natürlicher Vorgang, der bei aller Leidenschaft für die luftgekühlten Klassiker einkalkuliert werden muss – Neuteile kosten Geld!“ Aus Stahlblech gepresst, kamen die turbo-breiten Kotflügel, Seitenschweller-Blenden und hinteren Seitenwände mit der rückstandsfrei vom Altlack befreiten Rohbau-Karosserie zusammen. Die Spritzverzinkung war der Auftakt zum erneuten Lackaufbau in der Werks-Auslieferungsfarbe ‚British Racing Green‘. Unterdessen erhielt das Fünfgang-Schaltgetriebe einen Satz verstärkter Gangräder, um den mechanischen Belastungen beim sportlichen Fahren auf Schweizer Pass-Straßen gewappnet zu sein. In Verbindung mit dem Serien-Allradantrieb sollte es aus engen Kehren heraus zügig nach vorn gehen. Weitere Investitionen in den Antriebsstrang: ein Sperrdifferential mit 70-/40-prozentiger Wirkung, eine Fichtel & Sachs-Sportkupplung für bis zu 500 Newtonmeter Drehmoment sowie ein Einmassen-Schwungrad. Letzteres belastet die Kurbelwelle mit 4,5 Kilogramm weniger rotierender Masse, das lässt den Motor williger hochdrehen. Der Sechszylinder-Boxer ist von 3,6 auf 3,8 Liter Hubraum erweitert worden. Mahle produzierte die neuen Kolben und Zylinder, dementsprechend ist das Kurbelgehäuse an die Leistungs-Komponenten angepasst werden. Natrium-gekühlte Ventile vom 911 biturbo (Typ 993) halten nun die Temperaturen an der stets kritischen Auslassseite unter Kontrolle. Vor der Einführung der Flüssigkeits-gekühlten Vierventiler war dies stets ein Problem. Drehzahlfeste, doppelte Ventilfedern und ein sportlicher Nockenwellensatz mit 296 Grad an der Einlassseite waren weitere Beiträge zu 308 PS, die Dennis Dragunski auf seinem Leistungsprüfstand ermittelte. Der Messung ging eine Feinabstimmung voraus. Ein weiteres Resultat nach 1.100 Kilometern Einfahrtstrecke: 374 Newtonmeter Drehmoment. Die Fächerkrümmer-Auspuffanlage mit Heizung, zwei 100-Zeller-Katalysatoren sowie exakt abgestimmten Rohrlängen leistet weitere Beiträge zu der guten Leistungsausbeute. Von außen betrachtet drängt sich die zweiflutige Auspuffanlage kaum auf. Der Auftritt passt zum distinguierten Dunkelgrün, das die britische Fahrkultur zelebriert. Nochmals zurück zum Antriebsstrang: Die Kupplungshydraulik ist unter anderem durch einen bearbeiteten Nehmerzylinder am Getriebe optimiert worden. So ist beim häufigen Herauf- und Herunterschalten im Gebirge präzises, komfortables Schalten gewährleistet. Und hartes Angasen, den neuen Antriebswellen und Radlagern sei Dank, ist ebenfalls kein Problem.

Selbstverständlich ist auch an souveränes Bremsen gedacht worden. An der Vorderachse greifen ‚Big Reds‘ – Leichtmetall-Vierkolben-Festsättel vom 911 turbo II 3.6 (Typ 964) – verlässlich zu, während an der Hinterachse Carrera-RS-Sättel und -Scheiben vollkommen ausreichen. Das KW-Sportfahrwerk, es hört auf die Produktbezeichnung ‚Variante 2‘, brilliert mit seinem Edelstahl-Konzept und der kommoden Abstimmung mit dem Ziel, Rücksicht auf eventuell im Fond mitfahrende Kinder zu nehmen. Die Kids sollen nicht durchgeschüttelt werden, wenn der Papa sie wieder einmal zu einem Ausflug einlädt. Dem trägt nicht zuletzt – aufgrund der verbesserten Abstützung in den Kurven – die turbo-Breite Rechnung. Bei den Hinterachs-Schräglenkern handelt es sich um die Originalteile aus dem Porsche 911 turbo II, die mit der Serien-Karosserie an den bereits vorgefertigten Haltepunkten verschraubt werden. „Die Bohrungen sind ab Werk gesetzt“, bestätigt Thomas Nater, „in dieser Hinsicht ist keinerlei Nacharbeit notwendig.“ Der gewählte Speedline-Rädersatz ist als durchaus standesgemäß zu bezeichnen. Die noblen Dreiteiler in den Dimensionen 8.5J x 18 ET 52 vorn sowie 10.5J x 18 ET 61 an der Hinterachse sind jeweils ein halbes Zoll breiter geschüsselt worden. Die Reifen: Michelin ‚Pilot Sport 2‘ in 225/40-18 an der Vorder- und in 285/30-18 an der Hinterachse. Weiterhin fördern Licht und Sicht das Fahrvergnügen, die Außenbeleuchtung ist vollends erneuert worden. Das hohe Niveau setzt sich im Fahrzeuginneren fort. Die Interieur-Komponenten blieben weitgehend erhalten, sie sind jedoch mit frischem Leder in ‚Cognacbraun‘ und neuen Schaumstoff-Formteilen aufgearbeitet worden. Im Kofferraum setzt sich das grün-braune Farbspiel fort. Glanzlichter setzen brauner Teppich, Leder-Intarsien in Rautenstepp und eine längliche Tasche für das Bordwerkzeug – ein fast liebevolles Detail, das die wahren Absichten aller am Projekt Beteiligten offenbart. Hier ging es nicht um eine Restaurierung von vielen, sondern um einen verwirklichten Traum. Dass während der zehn Projektmonate rund 110.000 Euro an Umbau- und Instandsetzungskosten angefallen sind, kann nachvollzogen werden. Am letzten Sonntag im Mai 2017 konnte das Gesamtkunstwerk nach Zürich ausgeliefert werden. Obschon es sich ursprünglich um einen Import der Schweizer AMAG handelte, laufen zurzeit die MFK-Untersuchungen. Im „Ländli“ der Eidgenossen ticken die Uhren in ihrem eigenen Tempo. Dass die handwerkliche Ausführung, insbesondere die des Karosseriebaus, erstklassig ist, dürften auch strenge MFK-Prüfer anzuerkennen wissen. Vier Wochen vor der Überführung ab Göttingen kam es in Dinslaken zu einer ersten Begegnung des Auftraggebers mit seinem künftigen Spaß-Beschleuniger. Inmitten des Clubdays der Porschefreunde auf der Trabrennbahn errichtete Thomas Nater ein Ausstellungszelt. Im Mittelpunkt: der Breitbau in ‚British Racing Green‘, am Tag vor dem 1. Mai 2017 fertiggestellt und erstmals öffentlich gezeigt. Der begeisterte Kunde buchte eigens einen Flug von Zürich nach Düsseldorf, um seinen Carrera 4 in Dinslaken zu zelebrieren. Fast hätte sich der Mann mit einem Nachfolgeprojekt beschäftigen müssen – mehr als eine spontane Kaufofferte ist vor Ort an ihn herangetragen worden. Er blieb jedoch standhaft, außerdem hat ihm Thomas Nater ein Versprechen mit auf den Weg gegeben: Sein Porsche, er wird ein Einzelstück bleiben.

werk1 #24 words: carsten krome

9.099 Zeichen (mit Leerzeichen und Zeilenumbrüchen)

1992er Porsche 911 Carrera 4 Coupé (Typ 964) – Aufbau im Werks-turbo-Look (Optionsnummer M 491) 0600

© Carsten Krome Netzwerkeins

big.data | die technische Dokumentation in allen relevanten details

Fahrzeugtyp: 1992er Porsche 911 Carrera 4 Coupé (Typ 964) – Aufbau im Werks-turbo-Look (Optionsnummer M 491)

Modelljahr: 1992 (N-Programm)

Werks-Auslieferungsland: Schweiz, Einfuhr über die AMAG

Karosserie: 2-türige, 2+2-sitzige, selbsttragende Coupé-Karosserie aus beidseitig feuerverzinktem Stahlblech; Ausführung ohne Stahl-Schiebedach

Aufbau: durch AP Car Design, Thomas Nater und Timo Gödiker; Rudolf-Wissell-Straße 4; D-37079 Göttingen; neue Lackierung in der Werks-Auslieferungsfarbe „British Racing Green”

Motor (Serienumfang): luftgekühlter Aluminium-Sechszylinder-Boxer Typ M64/01, zwei Ventile pro Zylinder

Ventilsteuerung (Serienumfang): Nockenwellen-Antrieb über Doppelkette und Zwischenwelle; Öffnen/Schließen der Ventile über Kipphebel

Gemischaufbereitung (Serienumfang): über Bosch-Motronic 2.1 elektronisch geregelte, sequenzielle Einspritzung

Zündung (Serienumfang): über Bosch-DME kennfeldgesteuerte Doppelzündung

Ölmenge (Serienumfang): 11,5 Liter

Hubraum (Serienumfang): 3.600 ccm

Bohrung (Serienumfang): 100 mm

Hub (Serienumfang): 76,4 mm

Verdichtung (Serienumfang): 11,3 : 1

Motorleistung (Serienumfang): 250 PS bei 6.100/min

maximales Drehmoment (Serienumfang): 310 Nm bei 4.800/min

Motorleistung (neu): 308 PS, durch Elferwelt, Dennis Dragunski, auf dem Leistungsprüfstand abgestimmt und ermittelt; 374 Newtonmeter gemessenes, maximales Drehmoment nach 1.100 Kilometern Einfahrtstrecke

Kraftübertragung (Serienumfang): Allradantrieb; Fünfgang-Schaltgetriebe (Typ G50/52)

Bremsanlage (Vorderachse): hydraulisches Zweikreis-System; Vierkolben-Aluminium-Festsättel; innenbelüftete Stahl-Bremsscheiben; Bosch-ABS

Bremsanlage (Hinterachse): hydraulisches Zweikreis-System; Vierkolben-Aluminium-Festsättel; innenbelüftete Stahl-Bremsscheiben; Bosch-ABS

Radaufhängungen (Vorderachse): einzeln an McPherson-Federbeinen und Querlenkern aus Leichtmetall; KW-Gewinde-Fahrwerk „Variante 2″ mit Schraubenfedern; Stabilisator

Radaufhängungen (Hinterachse): einzeln an Federbeinen und Schräglenkerarmen aus Leichtmetall; KW-Gewinde-Fahrwerk „Variante 2″ mit Schraubenfedern; Stabilisator

Räder: dreiteilige Speedline-Felgen in 8.5J x 18 ET 52 vorn sowie 10.5J x 18 ET 61 an der Hinterachse

Reifen: Michelin ‚Pilot Sport 2‘ in 225/40-18 an der Vorder- und 285/30-18 an der Hinterachse

Interieur: Konzeption und Ausführung in „Leder Cognacbraun” durch AP Car Design, Thomas Nater und Timo Gödiker; Rudolf-Wissell-Straße 4; D-37079 Göttingen

Leergewicht nach DIN (Serienumfang): 1.450 kg

Beschleunigung (Serienumfang, 0 – 100 km/h): 5,7 sec.

Höchstgeschwindigkeit (Serienumfang): 260 km/h