Beim AvD-Oldtimer-Grand-Prix Nürburgring 2010 war Klaus Ludwig praktisch ein Alleindarsteller. Der Deutsche Automobil-Rennsportmeister der Jahre 1979 und 1981 hatte auch das Revival der einstigen Renommier-Rennserie sicher im Griff. Mit dem 1981 als letztem Vertreter seiner Spezies aufgebauten Kremer-935 K3 (Chassis 001 00020) fuhr der damals 60-Jährige im ersten Rennlauf am Samstag locker voraus. Zwar stand Profi Wolfgang Kaufmann Gewehr bei Fuß, im zweiten Durchgang am Sonntag mit einem ähnlich konfigurierten Porsche 935 von Kremer ins Geschehen einzugreifen. Doch dieser zweite Heat fiel buchstäblich ins Wasser. So blieb Klaus Ludwig, der dreimal die 24 Stunden von Le Mans gewinnen konnte, unbezwungen. Im Interview mit Carsten Krome erinnert sich der leidenschaftliche Jäger an die ruhmreiche Ära des “Wunderautos” aus Köln-Bilderstöckchen.

Carsten Krome: “Klaus Ludwig – beim Oldtimer-Grand-Prix Nürburgring 2010 hatten Sie das Revival der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft sicher im Griff. Den ersten Lauf am Samstag gewannen Sie souverän. Der Zweite fiel wegen schlechten Wetters buchstäblich ins Wasser. So wurden Sie um einen möglichen Doppelsieg gebracht – und auch um ein Duell mit Wolfgang Kaufmann in Eberhard Baunachs 935er – erzählen Sie, wie es zu Ihrem Einsatz gekommen ist!”

Klaus Ludwig: “Ich habe einen Porsche 935 K3/a aus der Sammlung von Christopher Stahl gefahren. Wir kennen uns schön länger, als Team gewannen wir 2009 zum Beispiel ein Langstrecken-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife. Eigentlich hätten wir schon viel eher zusammenkommen müssen – der Chris hat 2004 nämlich einen alten Brumos-Porsche 935 besessen, den ich einmal gefahren habe.”

ck: “Wir schweifen zwar vom eigentlichen Thema ab, aber jetzt haben Sie uns neugierig gemacht!”

K.L.: “Das war 1979, als Peter Gregg in der US-amerikanischen IMSA-Serie der beherrschende Fahrer war. Ich war quasi in der Deutschen Rennsportmeisterschaft jenes Jahres sein Pendant. Daraufhin kam man bei Porsche auf die Idee, uns einfach mal zusammenzuspannen. So bestellten sie mich nach Riverside, und das war wirklich großes Kino!”

ck: “Großes Kino – inwiefern?”

21. September 1980, ADAC-Bilstein Super-Sprint auf der kurzen “Betonschleife” des Nürburgrings: Ein zu diesem Zeitpunkt 13-Jähriger nimmt seine Yashica-FR-Spiegelreflexkamera, drückt auf den Auslöser – und dabei entsteht dieses Bild von der Einführungsrunde der Division 1 der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft. In der ersten Startreihe: Titelverteidiger Klaus Ludwig, inzwischen im Zakspeed-Ford Capri turbo, und Manfred Winkelhock, inzwischen im Joest-Porsche 935J #000 00016 am Start. Den Kremer-Porsche 935 K3/80 #000 00011 steuert inzwischen Rolf Stommelen, vormals Vertragspilot im Joest-Porsche gleich vor ihm. Original-Archivbild: Carsten Krome, heute Netzwerkeins

K.L.: “Peter Gregg war ein eigenwilliger Mensch. Er ließ mich kaum fahren, weil es ja schließlich sein Auto war, trotzdem hätten wir fast gewonnen. Er fühlte sich als der Professor der Fahrwerke, was damit zu tun hatte, dass er 1979 so ziemlich als einziger noch mit einem Einzellader unterwegs war. Alle anderen fuhren Doppelturbos, die wesentlich angenehmer zu beherrschen waren. Wer einen Einzellader benutzte, erhielt jedoch einen Gewichtsbonus und genau darauf baute Peter Gregg.”

ck: “Zurück an den Nürburgring und in die Gegenwart! Der Porsche, den Sie beim Oldtimer-Grand-Prix gefahren haben, war eine Doppelturbo-Version auf letztem Stand der Gruppe 5. Die Szene munkelt von 800 PS. Wie haben Sie sich 31 Jahre nach dem Umstieg aus dem Kremer-Porsche in den Zakspeed-Capri diesem Boliden genähert?”

ck: “Nach dem Verkauf des Brumos-935 und einer weiteren Einzellader-Version von Dick Barbour vor zwei Jahren besaß Christopher Stahl plötzlich diesen K3. Ich nahm die Gelegenheit natürlich wahr und wir gingen am Dienstag vor dem Oldtimer-Grand-Prix zum Testen. Dabei ging allerdings etwas schief.”

ck: “Nämlich was?”

K.L.: “An der Vorderachse brach ein Titanbolzen. Zum Glück passierte das in der Anfahrt zu den Boxen, ich war nicht mehr ganz so schnell. Das Vorderrad fing plötzlich an zu pulsieren. Ganz offensichtlich stimmte da etwas mit der Führung nicht mehr. Bis zu diesem Zwischenfall war mir allerdings klar, dass dieses Auto gewaltig nach vorne schiebt!”

ck: “Hat das Team den Schaden gleich repariert und sind Sie dann weiter gefahren?”

K.L.: “Nein, so einfach ist das bei diesen historischen und immens wertvollen Autos natürlich nicht! Man kann in kein Regal greifen und einfach ein neues Ersatzteil hervorzaubern. Und aus genau diesem Grund wollte ich eigentlich meinen Einsatz absagen und überhaupt nicht fahren. Das betreuende Team um Uwe Niermann hatte jedoch parallel zu diesem Fahrzeug ein weiteres im Aufbau und damit Zugriff auf eine nagelneue Vorderachse. Die war bis Donnerstag drin, die Jungs haben generell einen wirklich guten Job gemacht.”

ck: “Trotzdem blieben Sie von weiteren Problemen nicht verschont!”

K.L.: “Im Getriebe war ein Simmering undicht, dadurch lief Öl auf die Kupplung und die fing an zu rutschen. Das musste in der Nacht von Freitag auf Samstag in Ordnung gebracht werden.”

ck: “Das Fahrzeug, über das wir hier reden, hat viele Jahre in der Rosso-Bianco-Sammlung von Peter Kauss in Aschaffenburg verbracht. Bei den Defekten, die Sie beschreiben, könnte man zu dem Schluss kommen, dass man ein Museumsstück nicht so hart herannehmen sollte!”

K.L. (amüsiert): “Das habe ich auch nicht! Ich bin zum Beispiel mit einem durchschnittlichen Ladedruck von 1,25 bis 1,3 bar gefahren. Während der Startphase waren es ausnahmsweise 1,45 bar. Da kann man nicht vom Limit reden. 1979 in der Deutschen Rennsportmeisterschaft waren es fallweise 1,7 bar. Das war dann allerdings die äußerste Zerreißgrenze.”

ck: “Bleiben wir bei der Zerreißprobe. Wie haben Sie dieses 800-PS-Gerät rein physisch erlebt?”

K.L.: “Die Lenkkräfte sind bestialisch! Ich habe mich gefragt, wie ich das früher eigentlich gemacht habe. 1979, in meinem Meisterschaftsjahr mit diesem Auto, brachte ich 70 Kilo auf die Waage. Ein Kraftprotz war ich nie. Aber die Erklärung liegt wohl darin, dass die damaligen Reifen das Auto insgesamt mehr rutschen liessen. In diesem dauerhaft instabilen Fahrzustand waren die auftretenden Kräfte nicht ganz so verrückt. Damals wäre halt niemand auf die Idee gekommen, eine Servolenkung in einen Rennwagen zu bauen. Das wäre der Bruch mit einem Dogma gewesen.”

ck: “Sie sind im Oktober 61 Jahre alt geworden und setzen sich mit einem Fahrzeug auseinander, mit dem Sie als 29-Jähriger die Weltelite beherrschten. Sie gewannen die 24 Stunden von Le Mans 1979 mit einem anderen Kremer 935 K3. Was hat diese Zeitreise in Ihnen ausgelöst, haben Sie Lust auf mehr bekommen?”

K.L.: “Zuallererst bin ich im Moment wieder auf 78 Kilo. Ich nähere mich meinem damaligen Idealgewicht an. Die Leute ziehen immer falsche Schlüsse daraus, dass ich es noch ganz gut kann. Ich muss keine erstklassigen Profi-Rennen mehr fahren. Das macht heute mein Sohn Luca. Der schlägt sich auch ganz toll, aber der Klaus Ludwig wird im kommenden Jahr ganz sicher keinen neuen Mercedes SLS fahren, wie immer wieder behauptet wird. Eins hat mir dieses Wochenende gezeigt: Man hat die Erinnerung an einzelne Autos total verloren. Für mich war es ein Déjà-vu und – ganz ehrlich – das Wiedersehen mit dem Teufel.”

ck: “Was war denn so teuflisch an diesem Kremer-Porsche – es war ja nun das Wunderauto der Saison 1979 mit zehn von elf möglichen Siegen in der Deutschen Rennsportmeisterschaft und dem Le-Mans-Triumph!”

K.L.: “Das Ding ging ganz einfach wie der Teufel! Die Kremer-Jungs haben damals Tag und Nacht herumgetüftelt. Da waren Manfred Kremer und der Michel, der später zu Reinhold Joest wechselte. Die Beiden haben das letzte aus dem Motor geholt. Deren größte Erfindung war natürlich das Luft-Luft-System, mit dem wir die Ladeluft kühlten. Das hatte keiner außer uns!”

ck: “Erklären Sie uns – insbesondere für die jüngeren Leser – worum es bei dieser Technologie ging!”

K.L.: “Ursprünglich besaßen die Porsche 935 einen Luft-Wasser-Wärmetauscher für die Ladeluftkühlung. Der hatte allerdings den Nachteil, dass sich das Kühlwasser nach der Startphase dauerhaft erhitzte und nicht mehr ausreichend abkühlte. Das ergab natürlich einen Leistungsnachteil. Kremer hat auf den Wärmetauscher verzichtet und den Ladeluftkühler durch dicke Luftschläuche angeströmt, die in den Kotflügeln angeordnet waren. Mit diesem einfachen Trick reduzierten wir die Ansauglufttemperatur dauerhaft um 20 Grad, was 30 bis 40 PS ausmachte.”

ck: “War das das einzige Geheimnis des Kremer-Porsche?”

K.L.: “Das Geheimnis lag in der Summe etlicher Kleinigkeiten. Das fing bereits mit der Grundverdichtung des Motors an, ging über die Sorte der Turbolader, kürzere Wege und ein dadurch besseres Ansprechverhalten. Das war der Schlüssel, zumal wir in diesem Auto ja nur mechanische Steuersysteme hatten. Die Elektronik war noch nicht soweit gediehen. Allerdings muss man auch sagen, dass Dunlop viel zum Erfolg beigetragen hat. Wir hatten auf jeder Strecke die richtigen Reifen.”

ck: “Beim AvD-Oldtimer-Grand-Prix 2010 hatten Sie allerdings einen anderen Reifenpartner, nämlich Goodyear!”

K.L.: “Das ist inzwischen ja ein- und dasselbe Unternehmen. Aber Spaß beiseite, mit dem Goodyear-Renndienstleiter Karl-Heinz Tibor habe ich bereits 1978 zusammengearbeitet, als ich noch bei Georg Loos einen Porsche 935 fuhr. Da gab es damals eine tolle Geschichte auf dem Norisring. Auf meinem Auto fuhr ich mit drei verschiedenen Gummimischungen, um optimal dazustehen. Und auch 2010 war der Karl-Heinz nach all der Zeit regelrecht euphorisch, wieder mit von der Partie zu sein.”

ck: “Sie haben Georg Loos erwähnt. Zwischen ihm und den Gebrüdern Kremer tobte Ende der siebziger Jahre ein Prestige-Duell, das die Gazetten als ‘Krieg der Kölner Porsche-Könige’ verkauften. 1979 verlor Immobilienhändler Loos allerdings den Anschluss. Woran lag das in letzter Konsequenz – waren es nur der Motor, die Ladeluftkühlung und die Reifen?”

K.L.: “Die Kremer-Leute machten generell einen großen Schritt. Das begann mit dem Kopfstandgetriebe und ging weiter mit der Diagonalstrebe, die mitten durch das Auto ging und die Karosserie versteifte. Auch die Karosserie von unserem ‘Ecki’, dem Ekkehard Zimmermann, war mehr als ausgefallen mit ihren kantigen Formen. Das Auto hat nie einen Windkanal von innen gesehen und funktionierte trotzdem, sogar in Le Mans mit seiner langen Geraden.”

ck: “Schönes Stichwort! In Le Mans findet alle zwei Jahre die weltgrößte Klassik-Veranstaltung statt, bei der Fahrzeuge bis Baujahr 1979 zugelassen sind. Der Porsche 935 K3 wäre dort startberechtigt. Reizt Sie nicht die Rückkehr? Immerhin haben Sie Ihre drei Le-Mans-Erfolge allesamt auf Porsche errungen.”

K.L.: “Mit dem 935 K3 und 800 PS brauche ich das nicht mehr. Ich möchte keine lange Gerade herunterschießen, wo nach zwei Metern Auslaufzone gleich ein Gartenzaun kommt. Ich habe damals in jeder Runde gebetet und mir gesagt: ‘Lieber Gott!’ Ich habe Freunde sterben sehen. Auch mit den heutigen Schikanen geht so ein Auto immer noch um die 320 km/h. Für mich kommt das nicht mehr in Frage!”

ck: “Wie schnell waren Sie am Nürburgring?”

K.L.: “Am Ende der Boxenmauer ganz sicher 250 km/h. Das fährt an dieser Stelle kein modernes DTM-Auto. Es ist ganz einfach verdammt gefährlich. Das habe ich beim Testen anhand des Vorderachsschadens gesehen. Ich finde, man sollte mit solchen Kostbarkeiten keine ernsthaften Rennen mehr fahren. Das führt sonst unweigerlich dazu, dass man Teile austauschen muss und das Auto irgendwann nicht mehr authentisch ist. Dann besitzt man bestenfalls eine Rolex mit einem neuen, goldenen Zeiger.”

ck: “Sechs Jahre nach Ihrem Siegeszug mit dem Kremer-K3 erlebten Sie in der Gruppe C die tragischen Unfälle von Manfred Winkelhock, Stefan Bellof und Jo Gartner hautnah mit. Dennoch blieben Sie den Porsche 956 und 962 noch bis 1988 treu!”

K.L.: “Wollen wir über dieses Kapitel nicht beim nächsten Mal reden?”

P.S.: “Abgemacht! Dann bis bald – und danke bis hierher!”

Das Gespräch führte Carsten Krome, Netzwerkeins

Original-Archivbilder: rennsport revue | by Carsten Krome