Aus – leider – gegebenem Anlass blicken wir heute noch einmal auf ein Interview, das uns Uwe-Michael Sauer, damals 56-jährig und Geschäftsführer des Kölner Traditionsrennstalls Kremer Racing, im Frühjahr 2009 gegeben hat. Im Gedenken an einen bedeutenden Zeitzeugen der vielzitierten „Geilen Zeit“ im Porsche-Rennsport betrachten wir die Anfänge der FIA-Gruppe 5 in der Marken-Weltmeisterschaft 1976 und einiges mehr.
(Hinweis: Das Gespräch fand bereits im Frühjahr 2009 statt und entspricht naturgemäß nicht mehr dem heutigen Stand)
werk1, Carsten Krome: “1976 begann mit Einführung der Gruppe 5 in der Marken-Weltmeisterschaft das sieben Jahre lange – oder kurze – Zeitalter der Spezial-Produktionswagen. Die Porsche-Rennställe – mal abgesehen vom Werksteam – schöpften die Möglichkeiten des Reglements anfangs nicht aus. Nur Kremer Racing besaß eine vollwertige Gruppe-5-Version, den ‘K1’. Was ermutigte Sie damals zu einer Eigenkonstruktion?”
Uwe Michael Sauer: “Wir wussten, dass Porsche im Frühjahr 1976 den 935 turbo in Südfrankreich testen würde. Ein guter Bekannter war damals in Paul Ricard vor Ort und brachte uns Fotos mit. Anhand dieser Bilder entstand dann der ‘K1’, den wir beim Weltmeisterschaftslauf in Mugello erstmals einsetzten.”
werk1: “Sie und Walter Heuser sind die einzigen Zeitzeugen dieser Ära, die nach wie vor bei Kremer Racing aktiv sind. Wie verlief der Einstand des ‘K1’ im April 1976 in Italien?”
U.M.S.: “Wir fingen mit einem 2,8 Liter großen Einzellader an. Eine Besonderheit war der flächige, einteilige, hinter dem Motor angeordnete Ladeluftkühler. Zweigeteilte, links und rechts positionierte Kühler wie im 1977er Werkswagen standen uns erst später zur Verfügung. Der Ladeluftkühlung kam eine Schlüsselrolle zu. Die Temperatur der Ansaugluft konnte von 80 Grad Celsius auf 40 Grad reduziert werden. Auf den 1.000-Kilometer-Distanzen der Marken-Weltmeisterschaft war das ganz wesentlich, um dauerhaft Leistung abrufen zu können. Auch mit einem Einzellader erreichten wir von Anfang an 620 PS.”
werk1: “Die Anordnung des Ladeluftkühlers hinter dem Motor war von 1975 an in den 908/3 mit nachgerüsteten Sechszylinder-Motoren aus dem Carrera RSR turbo zu sehen. Kremer Racing betreute ein solches Modell – ergab das den Wissensvorsprung gegenüber anderen Porsche-Rennställen, den Sie mit dem ‘K1’ in die Waagschale legten?
U.M.S.: “Der Hubraum in Carrera RSR turbo und 908/3 turbo war mit 2,1 Litern um 700 Kubikzentimeter kleiner. Aber es stimmt schon – wir haben für Egon Evertz einen Kundenmotor gemacht, der im 908/3 zum Einsatz kam. 1977/78 nutzten wir auch einen 908/3 turbo von Egon Evertz, um unsere Chancen im Porsche-Cup wahrzunehmen.”
werk1: „1976 konnten Porsche-Rennkunden im Werk den 934 turbo bestellen, eine Gruppe-4-Version mit 480 PS, einzelnem Turbolader und K-Jetronic. Diese Form der Gemischaufbereitung setzte der Leistungsentfaltung gewisse Grenzen. Musste der ‘K1’ ebenfalls mit K-Jetronic auskommen, weil einfach nichts anderes zur Verfügung stand?”
U.M.S.: “Die zehn 934/5, die 1977 an amerikanische Teams für die TransAm-Serie ausgeliefert wurden, waren statt der K-Jetronic mit einer mechanischen Bosch-Einspritzpumpe ausgerüstet. Im ‘K1’ verwendeten wir dasselbe System.”
werk1: “Gemessen an den damaligen Verhältnissen war die Innovationskraft erstaunlich – um welchen Preis eigentlich?“
U.M.S.: “Das Grundkonzept des ‘K1’ war in Ordnung. Allein das Drosselklappengehäuse erwies sich als Schwachstelle.”
werk1: “Nach dem zweiten Platz in Silverstone – Bob Wollek und Hans Heyer waren die Fahrer – hatten Sie bei den 24 Stunden von Le Mans 1976 weniger Glück…”
U.M.S.: “Im Training erreichten wir den elften Platz, im Rennen hat es dann etwas gefackelt.”
werk1: “Glücklicherweise war kein Totalschaden zu verzeichnen – 1977 übernahm der Porsche-Gebrauchtteilehändler Jürgen Kannacher aus Krefeld den ‘K1’ und setzte ihn mit Franz Konrad aus Graz in der Deutschen Rennsportmeisterschaft ein. Hatten Sie keine Sorge, so Know-how aus der Hand zu geben?”
U.M.S.: “1977 gingen wir mit dem Projekt ‘935 K2’ wieder einen Schritt weiter – das war das berühmte Vaillant-Auto, in das all unsere Erfahrungswerte aus der Marken-Weltmeisterschaft 1976 einflossen. Für den Eigenbedarf legten wir zwei dieser Autos auf und noch einmal sieben Karosserie-Umrüstkits für Kunden. Zeitgleich brachte Porsche dreizehn 935 turbo auf den Markt. Wir bestellten ein neues Auto im Werk und rüsteten es bis zu den 24 Stunden von Le Mans auf ‘K2’-Stand um. So machten wir Werbung für unsere eigene Karosserieform.”
werk1: “Zu Beginn sah der ‘K1’ wie ein 74er Carrera RSR mit größeren Spoilern aus. Nach den 24 Stunden von Le Mans 1976 besaß Kremer Racing als einziger Privatrennstall einen ‘Flachschnauzer’ mit Scheinwerfern auf Höhe der Radnaben. Deren kantige Form ist auf den ‘935 K2’ übertragen worden. Führten diese andauernden Pionierleistungen nicht zu einem Tauziehen mit dem Werk?”
U.M.S.: “Wie bereits gesagt – wir bauten unsere Autos für den Eigenbedarf. Eine Kleinserie realisierten wir mit dem ‘935 K3’ ja erst 1980. Und genau zu diesem Zeitpunkt lief bei Porsche die Produktion von Kunden-935ern aus, wir kamen uns nicht ins Gehege. Dass wir ebenfalls dreizehn Fahrzeuge neu auflegten, genauso viele wie das Werk 1977, war ein Zufall. Wir belieferten aber nicht einen einzigen Werks-Neuwagenkunden von 1977, sondern andere Klienten. Das war allerdings auch ein Zufall.”
werk1: “Sie haben den ‘935 K3’ erwähnt, das ‘Wunderauto’ der Saison 1979. Der historische Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans wiederholt sich in diesem Jahr zum 30. Mal. Was planen Sie, um das wichtigste Kremer-Jubiläum zu feiern?”
U.M.S.: “Beim Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring Anfang August werden nach jetzigem Stand der ‘935 K2’ mit Eberhard Baunach und der ‘935 K3’ mit Wolfgang Kaufmann im Revival der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft eingesetzt. Damit sind wir gut aufgestellt.”
werk1: “Auch ein ‘K1’ ist bei Kremer Racing neu aufgebaut und im April anlässlich der ‘Techno Classica’ in der Essener Messe vorgestellt worden. Was auffiel, war der Farbunterschied. 1976 war der ‘K1’ weiß lackiert, in Essen ist aber ein rotes Fahrzeug gezeigt worden. War darin ein Hinweis zu erkennen, dass es sich nicht um das Originalchassis mit der Fahrgestellnummer 006 00019 – handelt?”
U.M.S.: “Den Farbwunsch hat unser Auftraggeber und Kunde an uns herangetragen. Das Basisfahrzeug ist ein 930 3,3 turbo Gruppe B, den wir schon länger in der Betreuung haben und der viele interessante Originalteile enthält. Der Motor zum Beispiel ist recht weit entwickelt. Wir haben auch nie behauptet, unser 1976er Originalauto wieder aufzubauen.”
werk1: “Wissen Sie, was aus dem eigentlichen ‘K1’ nach dem Verkauf an Kannacher geworden ist? Es kursiert die Theorie, der Einzellader sei nach einem Zwischenstopp in Luxembourg 1982 mit dem Krefelder Privatier Heinz-Jörgen Dahmen in die Deutsche Rennsportmeisterschaft zurückgekehrt, um kurz vor den ‘200 Meilen von Nürnberg’ auf dem Norisring 1982 an den Schweden Bo Strandell verkauft zu werden. 2007 sollen zumindest Teile im Großraum München aufgetaucht sein. Was wissen Sie über den Verbleib des Ur-‘K1’?”
U.M.S.: “Es werden die unglaublichsten Geschichten an uns herangetragen. Wir können uns nicht auf alles einlassen.”
werk1: “Nach Erwin Kremers Tod am 27. September 2006 übernahmen Sie die Rolle des Geschäftsführers und gaben Kremer Racing eine konsequente Ausrichtung. Im historischen Motorsport läuft es gut für Sie und ihre neun Mitarbeiter. Wie erklären Sie sich den Erfolg in einer Zeit voller wirtschaftlicher Herausforderungen?”
U.M.S.: “Wir bei Kremer Racing spielen mit offenen Karten, wir haben uns keinen Cent leihen müssen und alles selbst erwirtschaftet. Als es 2006 losging, haben Walter Heuser und ich zugesehen, dass wir Aufträge hereinbekamen. Damals verteilte sich die Kapazität auf 60 Prozent Rennwagen und 40 Prozent Straßenfahrzeuge. Inzwischen schlägt das Pendel noch etwas stärker zugunsten der Rennsportmodelle aus.”
werk1: “Im Oktober 2006, nur einen Monat nach Erwin Kremers Tod, übernahm Eberhard Baunach den extern neu aufgebauten Vaillant-Kremer-‘935 K2’ und beauftragte Kremer Racing mit der technischen Betreuung. Das war einerseits naheliegend, andererseits aber auch ein segensreiches Symbol für einen Neubeginn bei Kremer Racing. Was verbinden Sie mit dieser inzwischen 32 Jahre alten Rennlegende?”
U.M.S.: “Seit dem 2006 fertiggestellten Neuaufbau hat der ‘935 K2’ 84 Betriebsstunden bei Testfahrten und Rennen absolviert. Eine Generalüberholung steht nun an, um für das diesjährige Revival der Deutschen Rennsportmeisterschaft gerüstet zu sein.”
werk1: “Dazu wünschen wir viel Erfolg und danken für das Gespräch!”