Am ersten Wochenende im September ruft wie bereits im vergangenen Jahr der 4.542 Kilometer lange TT Circuit von Assen zum Saisonfinale der Rennsportserie TOURENWAGEN LEGENDEN. Auch wenn die historische Formel 1 naturgemäß ihren Raum mit großen Namen wie Bruno Senna einnehmen wird, markiert das – standesgemäß – Rennen fahrende Geschichtsbuch der DTM einen weiteren Schwerpunkt des von Lee van Dam im Stil und mit dem Flair eines internationalen Event-Highlights organisierten Racing-Wochenendes in den Niederlanden.
Die TOURENWAGEN LEGENDEN tragen, wie gewohnt, drei Sprintrennen über jeweils 25 Minuten aus. In fünf Klassen aufgeteilt, bietet das vielfältige Teilnehmerfeld einen Querschnitt durch den Produktionswagen-Rennsport von den frühen siebziger Jahren bis hin zum Modelljahr 2008. Während an der Spitze zwei C-Klassen der Marke Mercedes-Benz mit Porsche-Preziosen und verschiedenen Exoten wetteifern, machen klassische Renntourenwagen weiterhin den Löwenanteil aus.
Mit einem hochkarätigen Porsche 911 GT3 R der Modellgeneration 997 gibt Matthias Nonn aus Fritzlar seinen Einsand in der Königsklasse 1. Der Unternehmer, der zusammen mit seinem Bruder Stefan unter anderem die Turbogarage betreibt, bringt ein Höchstmaß an Begeisterung für den Motorsport und Leidenschaft für die Zuffenhausener Sportwagenmarke mit. Über die Hintergründe seines Gasteinsatzes spricht er im nachfolgenden, höchst authentischen und herzerfrischenden Bericht aus erster Hand:
“Die Geschichte der zwei Turbobrüder aus Fritzlar begann 1986 – genauer gesagt durch mich, Matthias Nonn, dem ersten Turbo-verseuchten Bruder von uns beiden. Ich fuhr damals mit meinem heiß geliebten BMW 323i der Baureihe E21 nach Sardinien, mit meiner Verlobten Gisela und den Surfbrettern. Auf dem Weg nach Genua überholten mich in kurzem Abstand zwei 930 Turbo, einer in Weiß und einer in Rot. Porsche war in meinem Leben nie ein Thema, BMW schon. Es zeigte sich aber in meinem Freundeskreis eins: Wer einen Porsche hatte, der war mächtig angesagt! Es waren aber hauptsächlich ausgemergelte F-Modelle und alle schmal, das war nicht mein Fall. Hier begann soweit das Thema meines Lebens, immer etwas haben zu wollen, dass mindestens eine Nummer zu groß ist. Daher musste mein Porsche auch ein Turbo sein. Technik, Leistung, et cetera interessierten mich nicht – Hauptsache, den maximalen „Dicken Max“ machen! Nach der Begegnung mit den Boliden auf der Autobahn stand fest: Ein Turbo musste her!
Nun hatte der Nagel im Kopf schon mal seine Position eingenommen, es fehlten jetzt noch die Hammerschläge. Natürlich ging es erstmal zu Porsche Kassel mit besagtem BMW, Wildleder-Cowboystiefeln und Oberlippenbart. Der Verkäufer sah ähnlich aus, hatte wohl Mitleid mit mir und gab mir den Tipp, zu Herrn Dr. Engel nach Herstelle zu fahren. Dessen Turbo stand für 45.000 D-Mark zum Verkauf. Der Herr Doktor hatte direkt am nächsten Samstag Zeit und ich habe mit ihm eine Probefahrt vereinbart. Der Turbo sah ganz schön mitgenommen aus: Lack schlecht. Unterboden schlecht, Aschenbecher quoll über, aber der Doktor war nett und ließ es sich nicht nehmen, einmal zu zeigen, was der Turbo konnte. Da war er, der erste Hammerschlag auf den Nagel, ich war erledigt! Kein Gedanke an den „Dicken Max“, ich wollte Turbo fahren.
Es ist aber trotzdem nichts geworden, weil das Auto dann doch zehn große Scheine mehr kosten sollte, als mir gesagt wurde. 6 Wochen später auf dem Rückweg von der Motorshow Essen und mit meinem Dachdeckerfreund im Schlepptau, hatte ich dann die geniale Idee, bei Porsche in Paderborn vorbeizuschauen, da Herr Dr. Engels dort Kunde war und sich einen 928er kaufen wollte. Eine für meine Zukunft entscheidende Begegnung hatte ich dann im PZ, denn dort saß er – seine Eminenz – Gerd Dechow (leider verstorben), Rundenrekordhalter mit dem 356 auf der Avus und hörte sich meine Idee an, den Doktor doch dazu zu bewegen, den Turbo günstiger zu verkaufen. Er könne dann doch den 928 ohne Inzahlungnahme des schlechten Turbos handeln.
Gerd nahm das sehr ernst und griff zum Telefon und siehe da, ohne Handy bekam er sofort die Verbindung und sagte den Satz, den ich nie mehr in meinem Leben vergessen sollte: „ Herr Dr. Engels, wir sollten den Turbo jetzt wegmachen.“ Er hat ihn dann tatsächlich für 47.000 D-Mark an mich “weggemacht” und so hatte ich endlich meinen ersten Porsche – aber noch nicht abgeholt und bezahlt, die Geschichte darüber ist auch noch wichtig: Nebliger 16.12.1986 in Herstelle, Garage öffnet sich und der Turbo rollt heraus, verschmutzt und ohne Radio, das hat der werte Herr Doktor dann noch schnell ausgebaut. Beim Losfahren dann kam es zum Kabelbrand an der Stromversorgung, Radio mit Karosse. Das konnte ich noch so halbwegs retten, Zündung aus und den Nebel aus dem Auto lassen. Dann Prüflampe leihen und Zündschloss ausbauen, verschmorte Kabel reparieren und ohne Licht und Scheibenwischer bei strömenden Regen mit abgefahrenen Pirelli “P7” nach Hause, aber: Ich wusste nach zehn Minuten, nichts anderes mehr fahren zu wollen, dies war mein Auto. Und das war er dann: der zweite Hammerschlag.
Nun will ich mich aber kürzer fassen, die Geschichte war dennoch wichtig. Ich konnte meinen Bruder Stefan dann auch noch von BMW auf Porsche umstimmen, so dass dieser seinen 930er zwei Jahre später in einer abenteuerlichen Aktion in Berlin entgegennahm. Seit dieser Zeit waren wir auch Kunde bei Gerd Dechow und seinem Porsche Zentrum Paderborn. Dadurch erhielten wir eine Einladung zum Sicherheitstraining in Zolder und haben direkt zugesagt, mittlerweile waren unsereTurbos leistungsgesteigert und wir wollten in Zolder natürlich den Laden aufmischen. Das kam aber anders, da sich dort die Elite der Sportwagenfahrer in der schnellen Gruppe von Instruktor Olaf Lang (bester Mann im Porsche Kader damals) wiederfand. Kurz gesagt, wir hatten mächtig Respekt und hielten uns danach nicht mehr unbedingt für die Schnellsten. Olaf aber hat uns mehrfach aufgefordert, doch zur Sportfahrschule Porsche unter Leitung von Claudia Schäffner zu kommen – haben wir auch gemacht. Kurzum, wir lernten schnell Auto zu fahren und in Folge waren die Turbos dazu nicht mehr geeignet. Es wurde ein 964 Teppich RS angeschafft, in die Gleichmäßigkeitsserie “Supersportpokal” eingestiegen und gleichzeitig in den Porsche Club Paderborn eingetreten: ein Fehler!
Warum?
Da waren Sie wieder, die Spinner, die mit dem Porsche-Virus verseuchten und so ein Virus steckt ja auch an, und wir waren hochgradig infiziert. Bei jedem Lauf waren sicherlich so 10 bis 15 Leute aus Paderborn dabei, neben Porsche Osnabrück die meisten Clubleute, was für eine schöne Zeit! Die Dynamik kam, die Rundenzeiten wurden besser und das Auto auch, es kam ein 964 RS N/GT, der Einstieg in den Langstreckensport, damals noch Mischklassen, einerseits mit Pirelli “PZero” Straße und in den großen Klassen mit Slicks, Distanz: 200 Kilometer. Erstes Rennen in Paul Ricard, mit dabei: Edgar Dören, Harry Weishaupt, Ernst Palmberger, Kersten Jodexnis – nur um einige zu nennen, wie aufregend! Neue Strecke und dann das beindruckende Feld, natürlich vorletzter Platz, aber glücklich. Zweites Rennen in Hockenheim: viel Aufregung, da kannten wir uns schon besser aus. Schnellster im Quali in unserer Klasse und auch Gewinn des Rennens mit einer Runde Vorsprung auf die Arrivierten, das war gar nicht klug. Danach Disqualifikation wegen 11 Kilogramm Untergewicht, aber der nächste Hammerschlag saß. Nach diversen Einsätzen dann 1997 der Clou in der GTP Langstreckenserie. Alles auf eine Karte gesetzt und mal richtig angreifen, 993 Cup mit Schnelltank und privatem Team, 400 Kilometer auf Slicks. Ein Traumjahr, besser ging es nicht, Krönung der Gewinn der Klasse 5, gegen Leute wie Barbach/Gruber, Probst/Neuert und im Quali fast immer schneller als unser Instruktor Olaf Lang.
Zwei Jahre Pause folgten und der Versuch, an bisherige Erfolge anzuknüpfen, leider mit katastrophalem Ausgang. Mit der ersten Generation des 996 Cup war als Privatier kein Blumentopf zu gewinnen, das Getriebe hielt maximal 35 Minuten, bevor die Lagerkäfige aus Kunststoff schmolzen. Es hat uns dann an unsere finanziellen und gesundheitlichen Grenzen geführt, kurzum: verkaufen! Zeitgleich setzte Thomas Probst einen originalen 993 GT2 ein, für mich bis heute noch der „heilige Gral“. Ich konnte mich einmieten und direkt einige Erfolge feiern, so dass wir dieses Auto (wieder eine Nummer zu groß) kauften und dann zwei Jahre lang restauriert haben. Danach einige Läufe zur damals noch frischen PCHC, im Divinol Cup sowie in der Endurance-Wertung des Porsche Sports Cups, zuletzt bei der Spa Summer Classic 2014, seitdem schläft er als unsere Lebensversicherung. Es handelt sich um eins der allerletzten gebauten Exemplare des Jahrgangs 1998. Danach kam die 996-Cup-Zeit wieder auf, diesmal aber ordentlich revidiert und mit Getriebekühlung, ein dankbares Auto. Einige Läufe zur PCHC im 996 Cup, danach hauptsächlich Taxifahrten am BILSTER BERG – ein dankbares Auto und jetzt endlich auch zuverlässig!
In 2018 konnten wir uns einen lang gehegten Traum erfüllen und das Auto von Peter Mamerow kaufen, einer der letzten 997 GT3 R Step 2013 Evolution: auf Anhieb ein super zu fahrendes Auto, unsere Auftritte in der PCHC waren auch vom Ergebnis her ordentlich: zweimal Gesamtsieger, einmal Klassensieger gegen 991 GT3 R und mehrere zweite Plätze. 2021 kam dann – wieder einmal eine Nummer zu groß – die Gelegenheit, bei der Porsche Sprint Challenge France in Le Mans zu starten. Der Brandstifter hierzu war mein engster Freund Heiner Immig, der kam mit seinem 997 Cup auch gleich mit. Mit drei weiteren Deutschen in einem internationalen Feld von 55 Porsche konnte ich dann den 15. Gesamtrang belegen. Unser Highlight: Es wurde am Renntag vor großer Kulisse vor dem Hauptrennen morgens gefahren. Das war der finale Hammerschlag, und nun ist der Nagel drin. Er sitzt fest.
Mal sehen, was die TOURENWAGEN LEGENDEN am Wochenende in Assen so mit sich bringen, ich bin ehrlich gespannt! 😊”
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© polluxfoto, Petra Pollmann

© Turbogarage, Fritzlar