75.000 Kilometer, fünf Jahre, vier Begleitfahrzeuge ein- und derselben Marke. Kein Wunder, dass sich auf dem langen Weg Einschätzungsfehler einschlichen. Der wesentlichste galt dem Motor. Zwar war es möglich, dem Vierventil-Sauger Nehmerqualitäten anzuerziehen. Doch bei der Frage nach einer Leistungssteigerung winkten selbst gestandene Profis ab. Die einen sagten: “Haben wir noch nie gemacht!” Die anderen ergänzten: “Machen wir nicht!” Sie alle empfahlen stets dasselbe: einen Triebwerkswechsel. Doch dazu kam es nicht.

Nicht nur im Motorsport entscheiden Überholmanöver über alles oder nichts. Es wäre müßig, die wichtigsten Szenen aufzuzählen. Wo wäre auch anzusetzen? Aber auch im österreichischen Lechtal kann Entscheidendes passieren. Zwischen Reutte und Holzgau schlängelt sich eine zweispurige Landstraße. Der Fluss, der dem tief eingeschnittenen Tal den Namen gab, schlängelt sich mit. Es ist eine landschaftlich schöne Strecke, für einen Porsche wie geschaffen. Scheinbar blühen dort aber auch italienischen Kleinwagen mít Frontantrieb und Turbolader auf. So gesehen an einem Regentag im Hochsommer. Schnell tauchte im Rückspiegel des 944 S ein weißes Exemplar mit rotem Reparaturkotflügel rechts vorn auf. Es machte an Boden gut, drückte zwei Kurven lang und zog auf Nimmerwiedersehen vorbei. Ein Wahnsinniger? Ein Experimentalmotor im umscheinbaren Gehäuse? Wie dem auch sei – 190 PS reichten in dieser Situation offenbar nicht aus. Was ändern?

Die Heimreise aus den Alpen begleitet ein frommer Wunsch: Es müsste doch möglich sein, dem 2.500 ccm großen Vierventil-Sauger zu mehr Durchzugskraft zu verhelfen! Doch eine spontane Umfrage bei klassischen Motorenbauern brachte erstaunliche Ergebnisse. Ein gestandener Profi mit GT2-Vergangenheit – seinen Namen erwähnen wir nicht – reagierte fast verstört: “Um Himmels Willen, an die Massen-Ausgleichswellen traue ich nie heran. Das habe ich noch nie gemacht!” Ein anderer schwieg sich wochenlang aus, ehe er fast unerwartet doch noch anrief: “In Holland steht ein 944 Turbo mit geringer Laufleistung. Wäre das denn keine Option?” Ein dritter Experte winkte wortlos ab, zwei weitere rieten zur Transplantation des Trieblings aus dem Turbo. Allerdings zeichneten sich sofort Probleme ab. So liegt die Abgasseite bei beiden Motorkonzepten unterschiedlich – einmal links, einmal rechts. Das hätte weitreichende Auswirkungen mit sich gebracht, vom elektronischen Motronic-Steuergerät abgesehen. Ein möglicher Ausweg: die Beibehaltung des Saugers.

Zwei Dreiliter-Aggregate standen grundsätzlich zur Wahl: das konventionelle aus dem 944 S2 und das technisch anspruchsvollere des 968. Ein älterer Profi warnte: “Finger weg von der Variocam-Ausführung!” Er begründete dies mit Leistungsstreuung und Aufwand in der Betreuung. Kommt aufwändige Technologie in die Jahre, helfen die üblichen Servicearbeiten kaum weiter. Dann gilt es, viel Geld in die Totalrevision zu investieren. Die Porsche Classic Car Kumho Trophy 2005 bestätigte diese Theorie. In Kooperation mit anderen Partnern setzte PORSCHE SCENE einen 968 ein, der vor seiner Verwandlung in einen Rennwagen lange Jahre im Straßenverkehr gedient hatte. Nach drei problemlosen Veranstaltungen stellten sich im Bereich der Steuerzeiten-Verstellung Defekte ein. Im weiteren Saisonverlauf war ein neues Kurbelgehäuse fällig. Lediglich der Zylinderkopf konnte gerettet werden.

Solche Erkenntnisse ließen den Plan einer Motor-Aufrüstung scheitern. Einzig empfehlenswerte Variante: der Dreiliter-Vierventiler aus dem S2. Gegenüber dem kleineren 2,5-Liter-Vierventiler versprach neben einem Zuwachs an Drehmoment 21 PS zusätzlich. Eben diese Ausbeute sollte aber auch der Eingriff in das digitale Motorsteuergerät (DME) ergeben. Es war immerhin einen Versuch wert. Doch sie fand mit Sicherheitsnetz und auf doppeltem Boden statt. Eigens zu Versuchszwecken musste ein zweites Steuergerät angeschafft werden, um zwei Aufträge erteilen zu können. Unabhängig voneinander sollten diese Fachbetriebe ihre Potenziale aufzeigen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Beide mühten sich redlich, den unterhalb 4.000/min schwachen Teilllastbereich zu stärken. Dies erfolgt im Wesentlichen durch eine Anhebung der Einspritzmenge unter Beibehaltung der Original-Einspritzdüsen. Genau darin liegt auch der Fehler. Denn nun muss sich die größere Spritmenge durch ein Nadelöhr zwängen, weil die Einspritzdüsen in ihren Querschnitten festgelegt sind. Klar – es hätte Geld gekostet, sie ebenfalls aufzurüsten.

So kam es, wie es kommen musste – irgendwann blieb der Motor stumm. Im Motronic-Steuergerät war eine Sicherung durchgeglüht. Sie hatte vermeldet, dass die Einspritzdüsen stark überlastet gewesen waren. Davon kündete ebenfalls ein geschwärztes Auspuffrohr – das Zeichen für ein überfettetes Gemisch. Will sagen: Mehr Kraftstoff als notwendig war verbrannt worden. Zwei Effekte waren im Praxisbetrieb zu verzeichnen: mehr Durchzugskraft im mittleren Drehzahlbereich, erkauft durch Abstriche bei der Höchstgeschwindigkeit. Die Konsequenz: Beide Anbieter blieben den Nachweis schuldig, dass Bemühen auch Erfolge mit sich bringt. Ein dritter sah sich dankenswerterweise in der Lage, das Original-Programm aufzuspielen. Seitdem läuft der Zweifünfer genauso, wie er einst geschaffen worden ist. Sinnvollere Ansätze schlummern in der Zu- und Abfuhr von Luft. Besonders Motorsport-Katalysatoren können zusammen mit einer Edelstahl-Abgasanlage viel bewegen. Für elektronische Wunderwerke gilt das leider nicht. Und so blieb der Exkurs in die Welt der E-proms ein aufreibendes Experiment. Nur ein einziges Mal zahlte es sich aus: bei einer Passfahrt auf der 107 Kurven umfassenden Jochstraße. Sie verbindet die im Allgäu gelegenen Orte Hindelang und Oberjoch.

Ein Jahr nach dem Schlüsselerlebnis im 50 Kilometer entfernten Lechtal entfaltete der 944 S sein ganzes Talent. Allerdings: Nach dem Einlegen der dritten Fahrstufe war kein weiterer Gangwechsel erforderlich gewesen. Der Motor lief exakt im künstlich gestärkten Teillastbereich. Bereits die Rückreise offenbarte, dass Offenbarungen gern auch als solche missverstanden werden. Seitdem läuft der Serien-Treibsatz gesund und frei von Tücken. Mit Differenzialsperre – erinnern Sie sich an die vorherige Ausgabe – hätte es auch ein kleiner Fiat schwer. Trotz Turbo. Ein bitteres Fazit? Keineswegs. Die Deutsche Rennsportmeisterschaft 1980 liefert in gewisser Weise eine Parallele. Hans Heyer sicherte sie sich mit einem leistungsmäßig unterlegenen Lancia Beta Montecarlo Turbo. Heute gibt er offen zu: “Das Auto lebte nur von seinem Getriebe!” Brachiale Motorkraft ist eben auch nicht alles.

Text und Fotos: Carsten Krome

Warth-Hochkrumbach mit dem Großen Widderstein, Hotel Adler, Lechtal, Vorarlberg, Österreich, 16. Oktober 2019, Fotografie: netzwerkeins, Carsten Krome

Warth-Hochkrumbach mit dem Großen Widderstein, Hotel Adler, Lechtal, Vorarlberg, Österreich, 16. Oktober 2019, Fotografie: netzwerkeins, Carsten Krome

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