Geboren am 1. Januar 1951 in Garmisch-Partenkirchen: Rennfahrer-Legende Hans-Joachim Stuck feiert 72. Geburtstag.

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Während seiner aktiven Zeit war Hans-Joachim „Strietzel” Stuck, geboren am Neujahrstag 1951, einer der beliebtesten deutschen Automobil-Rennfahrer. 1985 gewann er mit dem Werks-Porsche 962C die Endurance-Weltmeisterschaft. Zwei Siege bei den 24 Stunden von Le Mans, ebenfalls auf Porsche 962C, schlossen sich 1986 und 1987 an. Doch die Karriere des Wahl-Österreichers, der als „König von Hockenheim” die Massen begeisterte, verlief nicht immer kerzengerade. Oft schien er grundsätzlich im falschen Auto zu sitzen. 1983 erlöste ihn ein Schweizer Automatenhändler von seinen Leiden. Walter Brun ebnete ihm den Weg in den Porsche 956, den Jahrhundert-Rennwagen.

Prolog. 1983 reichen fünf Hände kaum aus, um nicht schon auf der Geraden abzufliegen – mit dem Sehcar SH C6 BMW ganz nah am Abgrund.

29. Mai 1983, Nürburgring-Nordschleife. Viel ist erzählt, geschrieben und überliefert worden über das letzte 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Eifelkurs, über Stefan Bellofs unglaubliche Darbietung im Werks-Porsche 956 und über den Rennabbruch nach 26 Runden. Oft wird diese Unterbrechung mit Stefan Bellofs Abflug am Streckenabschnitt „Schwalbenschwanz” in Verbindung gebracht. Tatsächlich zerlegt der Giessener seinen Dienstwagen nachhaltig, doch dieses Unfallereignis ist für den weiteren Verlauf der Ereignisse nur in einem Punkt ausschlaggebend: Der bestimmende Fahrer des Wochenendes ist draußen. Die verbliebenen Akteure bringen noch weitere sechs Runden hinter sich, ehe es im 26. Umlauf abermals knallt: Walter Brun zerlegt den neuen Sehcar SH C6 BMW in seine Einzelteile. Wie Stefan Bellof sechs Runden zuvor, kommt auch der Eidgenosse ohne Verletzungen davon. Doch der erstmals in dieser Konfiguration eingesetzte Prototyp hat nur noch Schrottwert. Damit ist auch für einen 32-jährigen Deutschen Feierabend, der sich eigentlich gute Chancen ausgerechnet hat an diesem letzten Sonntag im Mai 1983: Hans-Joachim „Strietzel” Stuck. Er will sich als anerkannter Regen-Spezialist die gemischte Wetterlage – stellenweise ist die Strecke feucht – zunutze machen. Doch der Sehcar SH C6 BMW ist schon bei Trockenheit so gut wie unfahrbar. Stuck reklamiert, ihm würden auf der langen Geraden nicht einmal fünf Hände ausreichen, um das skurrile Gefährt mit dem „Deltawing”-Heckflügel unter Kontrolle zu halten. Das sind wahrlich keine guten Arbeitsbedingungen in einem Rennen, das für die gesamte Branche zu einem Tanz am Abgrund wird. Selbst an den soliden Porsche 956 brechen die Radaufhängungen. Für die schwäbischen Erbauer des neuen Wunder-Rennwagens, den Kundenteams für 630.000 D-Mark – ohne Ersatzteilpaket, versteht sich – bestellen können, sind Aufhängungsbrüche eine fast schon verstörende Erfahrung.

Hinter den Kulissen wird man sich schnell einig, mit den filigranen Gruppe-C-Konstruktionen zum letzten Mal auf der 1927 eröffneten Rumpelstrecke gefahren zu sein. Das für Ende September 1983 angesetzte Saisonfinale der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft wird kurzerhand abgesagt. Doch das hilft den Haupakteuren des 1.000-Kilometer-Rennens nicht weiter. Niemand will sich die Blöße geben, vorzeitig auszusteigen. Und so wird gefahren, bis es knallt. Walter Brun weiß später nicht, warum sein dunkelblauer Sehcar mit 3.200 ccm großem BMW-Schnitzer-Turbomotor in den Leitplanken zerschellt ist. „Irgendwas ist vorne gebrochen, ab dann fehlt mir die Erinnerung”, gibt der Automatenhändler aus Luzern zu Protokoll. So hat sich der Innerschweizer seine neue Rolle als Rennstallbesitzer – mit 450.000 D-Mark springt er im September 1982 beim maroden GS-Team von Gerhard Schneider aus Freiburg in die Bresche – nicht vorgestellt. Dass er für seine Einlage diverse BMW M1 und einen Sauber SHS Cosworth entgegennimmt, ist vorerst ein Nebeneffekt. Bei dem Sauber handelt es sich um einen von zwei neuen Gruppe-C-Rennwagen, die Peter Sauber federführend aufgebaut hat. BASF steigt als Sponsor groß ein, Stars wie Hans-Joachim Stuck oder Hans Heyer werden als Fahrer verpflichtet. Doch der 3,9-Liter Motor von Cosworth steht dem Projekt im Weg. Das Aggregat neigt zu üblen Vibrationen, immer wieder kommt es deshalb zu Ausfällen. Früh beginnt Walter Run, sich für einen BMW-Treibsatz von Schnitzer zu interessieren. Ende 1982 experimentiert er mit einem Vierzylinder-Turbo, der ihm 1981 im eigenen Schnitzer-BMW 320 Turbo zur Verfügung gestanden hat. Doch er kommt damit auf keinen grünen Zweig. Echte Fortschritte verspricht ein Reihen-Sechszylinder im neu aufgebauten Sauber, der nun Sehcar SH C6 heißt. Parallel lässt Brun an einem zweiten Sehcar werkeln, der bei den 24 Stunden von Le Mans 1983 antreten soll. Das Besondere an diesem Boliden: ein 2,65 Liter großer Porsche-Motor aus dem 956, der das Maß aller Dinge ist. Mit diesem Schritt nähert sich der Eidgenosse der Kundensportabteilung von Porsche an. Schon erwartet ihn die nächste harte Prüfung, als Hans-Joachim Stuck, er selbst und Harald Grohs zu den 24 Stunden von Le Mans ausrücken wollen. Nach dem Qualifying und weiteren Erfahrungen in der Todeszone ziehen sie den Neuwagen zurück. Das einhellige Fazit: unfahrbar, eine Fehlkonstruktion. Einzig der letztjährige Sehcar-Ford, mit Bezahlfahrern aus Kanada besetzt, korrigiert den Eindruck etwas.

Die Flucht nach vorn: Walter Brun und der Porsche 956 mit der Chassis-Endnummer 111. Endlich darf auch Stuck im Rennwagen der Stunde glänzen.

Es ist eine prägende Zeit für Hans-Joachim Stuck, der 1980 – mit 29 Jahren – seine Ambitionen auf die Formel 1 begräbt und sich statt dessen auf die Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft mit dem Schnitzer-BMW 320 Turbo konzentriert. Zwar steht ihm ein 1,4-Liter-Sprengsatz mit mindestens 500 PS zur Verfügung, doch im Titelrennen hat Hans Heyer mit dem schwächeren Lancia Beta Montecarlo Turbo die Nase vorn. Am Neujahrstag 1981 feiert „Strietzel” 30. Geburtstag, und mit einem Vertrag für den neuen, bis zu 1.000 PS leistenden BMW M1 Turbo von Schnitzer zieht er als klarer Favorit ins Titelrennen um die Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft. Doch es geht alles schief. Nach wenigen Einsätzen zieht Sponsor Lubrifilm sich auf nimmer Wiedersehen zurück. Mit knapper Kasse sind nur noch gelegentliche Auftritte in Deutschlands Renommier-Rennserie drin. Beim Heimspiel auf dem Norisring feiert Hans-Joachim Stuck dennoch unter den Augen des bayerischen Landesvaters Franz-Josef Strauß einen triumphalen Sieg. 1982 fährt er dort wieder einen BMW M1 – aber nur eine Gruppe-4-Version, mit der er in der Deutschen Rennsport-Trophäe unterwegs ist. Es hat den Anschein, als säße Stuck grundsätzlich im falschen Auto. Als dann im September 1982 auch noch das GS-Team in finanzielle Schieflage gerät, wird die Lage allmählich kritisch. Zum Glück übernimmt Walter Brun, der als Retter in der Not eine Unterdeckung von zwei Millionen D-Mark zu füllen hat, die bestehenden Fahrerverträge. Doch damit tut er Hans-Joachim Stuck, der beim Großen Preis von Deutschland 1977 auf dem Hockenheimring als Drittplatzierter auf dem Siegertreppchen der Formel 1 gestanden hat, keinen Gefallen. Der Sehcar lernt das Laufen nicht, ohne einen kapitalstarken Hersteller im Rücken ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Dessen wird sich Walter Brun spätestens bei den 24 Stunden von Le Mans bewusst, als Stuck, Brun und Grohs auf ein Himmelfahrts-Kommando mit dem Sehcar-Porsche dankend verzichten und sich vom Rennen zurückziehen.

Einzig Harald Grohs wird 1984 unerschrockenen genug sein, sich auf dem neuen Nürburgring noch einmal in den Sehcar-Porsche zu setzen. Am 30. Juni 1983 tut Walter Brun schließlich das, was jeder erfolgreiche Unternehmer in seiner Situation tun würde: Er tritt die Flucht nach vorn an und löst die letzte noch freie Option auf einen von elf Porsche 956 aus der Kundensport-Abteilung ein. Eben noch mit dem hoffnungslosen Sehcar-BMW mit dem Schrecken davongekommen, tritt er auf dem Norisring zur Jungfernfahrt mit dem Traumwagen von Porsche an. Am 4. September 1983 setzt er ihn für sich selbst, Harald Grohs und Hans-Joachim Stuck beim 1.000-Kilometer-Rennen von Spa-Francorchamps ein. Endlich können alle Beteiligten beweisen, dass auch sie zur Weltelite gehören. Sie werden auf Anhieb Vierte. Mit dem Öladditiv-Hersteller Liqui Moly findet sich spontan ein neuer Geldgeber, der den Verlust von BASF als Hauptsponsor auffängt. Der Rückzug des Ludwigshafener Unternehmens ist 1982 einer der Auslöser für die Misere im GS-Team von Gerhard Schneider gewesen. Brun Motorsport hingegen prosperiert als Nachfolgegesellschaft. Für 1984 kann Walter Brun den 956.111 an das italienisch-argentinische Duo Massimo Sigala/Oscar Larrauri vermieten. Folglich bestellt er bei Porsche einen weiteren 956, der am 9. Mai 1984 ausgeliefert wird. Um laufende Sponsorenverträge zu erfüllen und auch, um die Wartezeit zu verkürzen, mietet er sich bei Kremer Racing in den 1983er 956 mit der Chassisnummer 101 ein. Beim 1.000-Kilometer-Rennen von Monza am 23. April 1984 sind auch Hans-Joachim Stuck und Harald Grohs wieder mit von der Partie. Wie bereits in Spa-Francorchamps vor einem halben Jahr, kommt das Trio an vierter Stelle ins Ziel.

Als der Neuwagen mit der Chassisnummer 956.116 bereitsteht, stellt Walter Brun die Mannschaft um. Stuck und Grohs treten damit in der Endurance-Weltmeisterschaft als Duo mit dem neuen Sponsor Schiesser an. Dasselbe Fahrgestell, in Jägermeister-Orange umfoliert, wird parallel mit Stefan Bellof auf die Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft angesetzt, die er auch prompt gewinnt. Brun selbst tritt nun ins zweite Glied zurück und teilt sich mit Prinz Leopold von Bayern den nach wie vor bei Kremer angemieteten Porsche 956.101. Im Herbst 1984 kommt das Fahrerkarussel in Bewegung: Stefan Bellof verabschiedet sich nach zwei spektakulären Dienstjahren aus dem Porsche-Werksteam. Seine Zukunft liegt in der Formel 1, trotzdem will er der Endurance-Weltmeisterschaft treu bleiben – im Team von Walter Brun. Es kommt zur Rochade. Denn den frei werdenden Platz im Werks-Porsche erhält – Hans-Joachim Stuck, der am Neujahrstag 1985 34. Geburtstag feiert. Und auch er fährt weiterhin einen Brun-Porsche. In der Deutschen Sportwagen-Meisterschaft sitzt er im Jägermeister-orangen 956.116, Bellofs Siegerwagen aus dem Vorjahr. Ausgerechnet in diesem Wagen wird der 27-jährige Giessener am 1. September 1985 in Spa-Francorchamps ums Leben kommen, drei Wochen nach Manfred Winkelhock. Die Gruppe C bewegt sich mehr denn je am Abgrund. Nach den Bastelkonstruktionen der ersten Phase sind es nun das hohe Entwicklungstempo und der Vorstoß in immer unbekanntere Dimensionen, die das Geschehen beherrschen.

Fahrpraxis bringt den Erfolg, und das nicht nur im Langstrecken-Metier. Das nimmt sich auch Hans-Joachim Stuck zu Herzen, der sich auf seinem Engagement als Werksfahrer bei Porsche nicht ausruht. Er lässt sich zusätzlich für internationale Einsätze verpflichten. So mausert er sich zum Fahrer mit den meisten Kilometern in den Porsche-Prototypen 956 und 962C. Der Erfolg: Am 14. Juli 1985 feiert er auf dem Hockenheimring – dem Schauplatz seiner größten Triumphe im Formelsport – den ersten Sieg im Werksteam von Porsche. Doch so süß der endgültige Durchbruch auch schmeckt, er ist begleitet von großer Dramatik. Beim Tankstopp steht ein Benzintank in der Porsche-Box lichterloh in Flammen. Zwar werden sowohl dieser Brand als auch zwei weitere vor benachbarten Garagen schnell wieder gelöscht, doch es gibt Verletzte. Norbert Singer, leitender Ingenieur im Porsche-Werksteam, wird mit Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Vorfall ist im Nachhinein so etwas wie die Ouverüre eines Desasters, das am 1. September 1985 in Spa-Francorchamps seinen traurigen Höhepunkt findet. Der Tod des Giesseners Stefan Bellof, der sieben Jahre jünger ist als Hans-Joachim Stuck, führt nicht zuletzt zum Totalverlust des Brun-Porsche 956.116 – Stucks Einsatzwagen in der Deutschen Sportwagen-Meisterschaft. Nur eine Woche nach der Tragödie steht auf dem Flugplatz Siegerland eine weitere Punktrunde im Rennkalender. Verträge müssen erfüllt werden, und so wird das kurz zuvor von Richard Lloyd gebraucht übernommene Reserve-Chassis 956.106 – vormals der Canon-Porsche von Jan Lammers und Dr. Jonathan Palmer – in Windeseile startklar gemacht. Diese bedingungslose Loyalität gegenüber Hauptsponsor Jägermeister hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Nur ein Jahr später ist Brun Motorsport Endurance-Weltmeister mit dem neuen Jägermeister-962C. Thierry Boutsen und der ins vorderste Glied vorgerückte Frank Jelinski bilden nun die Speerspitze.

Vier Jahre nach der Übernahme der Konkursmasse von Gerhard Schneider ist Walter Brun ganz oben angekommen. Doch das gilt auch für Hans-Joachim Stuck, der 1986 zum ersten Mal die 24 Stunden von Le Mans gewinnt. Auch dieser Markstein im Leben eines jeden Rennfahrers wird von einer Schreckensnachricht überschattet. Jo Gartner, Österreicher und Stucks Teamgefährte bei den 12 Stunden von Sebring, verunglückt im Kremer-Porsche 962C tödlich. Trotz dieser Begleitumstände greift Stuck 1987 nach dem zweiten Le-Mans-Sieg im Werks-Porsche. Und er schafft es auch diesmal, wird als Endurance-Weltmeister und zweifacher Le-Mans-Gewinner zur Legende. Nur der Traum vom Triple an der Sarthe erfüllt sich nicht. 1988 hat Jaguar die Nase vorn, begünstigt durch ein Missverständnis in der Runde vor dem Routine-Tankstopp des Werks-Porsche. Die verlorene Zeit ist nicht mehr aufzuholen. Auch im Supercup, der 1986 als Nachfolge-Rennserie der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft installiert worden ist, ist es um Stucks Regentschaft im Werks-Porsche geschehen. Der Franzose Jean-Louis Schlesser ist mit dem Sauber-Mercedes kaum zu halten, und das an sich ist schon kurios. Sechs Jahre zuvor hat Hans-Joachim Stuck sich im Sauber SHS C6 Cosworth des BASF-gesponsorten Teams GS Sport noch erbarmungslos abgemüht. Nun nimmt Peter Sauber, der detailverliebte Rennwagenbauer aus Hinwil in der Schweiz, den Platz an der Sonne ein. 1989 siegt er bei den 24 Stunden von Le Mans. Sein Sauber C9 tritt nun – von störenden Werbeaufklebern entblößt – als offizieller Silberpfeil des Mercedes-Werksteams an.

Die Zeiten ändern sich, auch in in der Gruppe C. Das kann nicht zuletzt Hans-Joachim Stuck bestätigen. Nach dem Rückzug der Porsche-Werksmannschaft finden er und Bob Wollek einen Platz beim Odenwälder Rennstallbesitzer Reinhold Joest. Zusammen werden sie im nun privat eingesetzten Porsche 962 starke Dritte bei den 24 Stunden von Le Mans 1989. Im allgemeinen Trubel um den Triumph der Mercedes-Silberpfeile geht die Leistung des Fahrerduos allerdings unter. Im Gegensatz zu den Werks-962C muss der Joest-Porsche ohne das PDK-Getriebe auskommen. Traditionell behält Porsche sich die Weitergabe neuer Entwicklungen an die Kundenteams vor, und so kämpfen Stuck und Wollek mit konventioneller H-Schaltung gegen die drehmomentstarken Sauber-Mercedes auf verlorenem Posten. Überhaupt, das PDK-Getriebe: 1984 kommt diese innovative Technologie erstmals in einem Rennen zum Einsatz. Sie ermöglicht Gangwechsel unter voller Last – beim Schalten fällt der Turbo-Ladedruck nicht mehr ab. 1986 und 1987 dominiert Stuck im Werks-Porsche mit PDK den Supercup. Doch die nächste Technologie-Stufe, die Umstellung von der alten Motronic MP 1.2 auf die leistungsfähigere MP 1.7, wird zu spät gezündet. Als es im Titelrennen mit Jean-Louis Schlesser 1988 eng wird, helfen auch keine Parforce-Ritte mehr. Beim Supersprint 1988 auf dem Nürburgring flattern schwarze Trauerflore an den Antennen der beiden Werks-Porsche – das Ende. Die konservativen Schwaben, die bis zuletzt den Verbau einer Servolenkung unter dem Verweis auf Fehlerquellen ablehnen, packen zusammen.

Das Ende der Sportwagen-Ära – oder etwa nicht? Zweimal hintereinander schrammt Stuck in den Neunzigern am dritten Le-Mans-Sieg vorbei.

1988 schießt sich Audi Sport auf die Tourenwagen-Wettbewerbe ein. Anfangs kommt in der US-amerikanischen TransAm-Serie der Audi 200 Quattro zum Einsatz, 1989 folgt der Audi 90 Quattro in der IMSA GTO – und 1990 schließlich der Audi V8 in der DTM, der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft. Hans-Joachim Stuck ist von Anfang an mit von der Partie, er wird Werksfahrer der Ingolstädter. 1990 sichert er sich auf Anhieb den DTM-Titelgewinn. Seine Popularität ist wieder auf dem Niveau der siebziger Jahre angekommen, als er, der ungekrönte „König von Hockenheim” die Massen begeistert hat. Dass er sein Meisterstück ausgerechnet im badischen Motodrom macht, passt ins Bild – fünf Jahre zuvor hat er hier mit dem Porsche-Werksteam erstmals triumphiert. Seine Liebe zu den Sportwagen blitzt in der Folgezeit immer wieder auf. 1994 lässt er sich nicht zweimal bitten, als ihn Porsche zu einem überraschenden Engagement bei den 24 Stunden von Le Mans beruft. Unter dem Deckmantel des neuen GT1-Reglements, von Porsche-Mann Jürgen Barth maßgeblich beeinflusst, laufen zwei „Dauer-962″ mit. Gegenüber der alten Herrlichkeit der Gruppe C müssen sie allerdings entschärft werden. Zum Gesamtsieg reicht es dennoch – aber nicht für Stuck, denn der sitzt wie schon so oft im „falschen” Auto. So wiederholt er das Ergebnis von 1990 und wird Dritter. Ein Jahr später soll es wieder besser laufen beim Langstrecken-Klassiker. Wendelin Wiedeking, zu dieser Zeit der Vorstandsvorsitzende bei Porsche, setzt sich persönlich dafür ein. Nach dem Sieg bei den 24 Stunden von Daytona im Frühjahr 1995 erhält Kremer Racing eine großzügige Mitgift. Im Gegenzug sollen sich Hans-Joachim Stuck, der Belgier Thierry Boutsen und Kremer-Vertragspilot Christophe Bouchut das Cockpit eines Kremer-K8 Spyder teilen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um einen 962 Gruppe C, der nach dem WSC-Reglement zu einem offenen World Sports Car umgebaut worden ist. Seiner Favoritenrolle wird der rote Renner zu keinem Zeitpunkt gerecht, obwohl es lange regnet – eigentlich Stucks Wetter. Mehr als der sechste Rang kommt bei der groß angelegten Kremer-Initiative nicht heraus.

Der Lohn der Markentreue folgt auf dem Fuße: 1996 formiert sich um den neu konzipierten Porsche 911 GT1 wieder ein Werksteam, und Stuck ist von Anfang an fest integriert. Bei den 24 Stunden von Le Mans 1996 erreichen er, Bob Wollek und Thierry Boutsen den zweiten Platz. Strenggenommen sitzt Stuck auch diesmal wieder im „falschen” Auto. Denn ganz vorne fährt – Reinhold Joests offener, irgendwie privater Porsche-Spyder gemäß WSC-Reglement. Was Kremer im Vorjahr nicht geschafft hat, zieht Joest nun durch. 1997 vollendet er den Erfolg seines aus den USA zurückgezogenen Ex-Werkswagens mit der Doublette. Er gewinnt ein zweites Mal, während Stuck/Boutsen/Wollek ihren zweiten Startplatz nicht in ein Spitzenergebnis verwandeln können. Mit der Evolution des Porsche 911 GT1 fallen sie vorzeitig aus – das Getriebe quittiert den Dienst. 1998 unterschreibt Hans-Joachim Stuck einen BMW-Vertrag. Tourenwagen-Rennen ist er mit den Bayern seit den siebziger Jahren immer schon gefahren – auch 1983 und 1984 noch, als er in Brun-Diensten steht und sich der Eidgenosse neben der Gruppe C diverse BMW 635 CSi in der Gruppe A leistet.

Für Hans-Joachim Stuck sind über größere Zeiträume hinweg gepflegte Beziehungen zu den Automobil-Herstellern typisch. Einmal berichtet ein leitender Mitarbeiter des Porsche-Werksteams über ihn: „Wir haben Werkspiloten, die kommen nach Weissach zu Testfahrten und herrschen uns an: ‘Wo steht meine Karre?’ Der ‘Strietzel’ hingegen betritt die Werkstatt, hat für alle ein zweites Frühstück dabei und begrüßt uns mit einem Jodler – ist doch wohl klar, mit wem wir lieber arbeiten!” Doch da ist auch eine Tatsache, die nicht von der Hand zu weisen ist: Der „Strietzel” wird nicht jünger. Dass Porsche zu den 24 Stunden von Le Mans 1998 mit einer deutlich verjüngten Mannschaft antritt – Uwe Alzen, Jörg Müller und Laurent Aiello stehen an der Spitze einer nachdrängenden Fahrergeneration – hat Signalwirkung. Stuck, inzwischen 47-jährig, bringt der von Christoph Schausberger gezeichnete BMW V12 LM 1998 kein Glück. Vibrationen im Antriebsstrang bringen seinen Werkswagen und den seiner Mannschaftskollegen im zweiten Auto zum Stillstand. Die 1972 eingeleitete Karriere bei den 24 Stunden von Le Mans ist damit beendet. 1999 tritt Stuck an der Sarthe nicht mehr an, obwohl er für den neuen BMW V12 LMR – dem späteren Siegerwagen – zumindest genannt ist.

Spätherbst einer Weltkarriere: noch einmal ein Sieg als Werksfahrer bei einem 24-Stunden-Rennen, 2011 der endgültige Ausstieg.

Nach Dienstjahren in der American Le Mans Series kehrt Hans-Joachim Stuck 2003 an die Nürburgring-Nordschleife zurück. 20 Jahre seit der Beinahe-Katastophe mit dem unfahrbaren Sehcar SH C6 BMW sind vergangen. Mit dem BMW M3 GTR soll der Sieg beim 24-Stunden-Rennen Nürburgring klargemacht werden, die Schnitzer-Truppe aus Freilassing ist als Einsatzteam zur Stelle – eigentlich eine Formsache. Doch dann geht die Sache gründlich schief. Bereits während der Einführungsrunde treten Probleme auf. Deren Ursache: Trockeneis, das eigentlich zur Sicherheit an Bord ist, um empfindliche Aggregate im Bummelzug-Tempo auf dem Weg in die Startaufstellung nicht überhitzen zu lassen. Das Fiasko ist BMW-Schnitzer eine Lehre. Gestärkt kehren die Bajuwaren ein Jahr später zurück und gewinnen mit dem nun 53-jährigen Stuck als Leitfigur das 24-Stunden-Rennen Nürburgring 2004. Obwohl ihre Mission damit erfüllt ist, kehren sie im darauf folgenden Jahr noch einmal zurück, gewinnen abermals – nur der Stuck, der sitzt im „falschen Auto”. Wieder einmal. 2006 beginnt die Vorherrschaft der grün-gelben Manthey-Porsche 911 GT3 auf der Nürburgring-Nordschleife. Obwohl nach dem Rückzug der Werksmannschaft nur ein österreichischer Sechszylinder-BMW zur Verfügung steht, mischt auch „Strietzel” Stuck nochmals mit. In der Nacht wird er jedoch in der Anfahrt zum Streckenabschnitt „Wehrseifen” in eine Massenkarambolage verwickelt und fällt aus. Fünf Jahre später nimmt er den 60. Geburtstag zum Anlass, endgültig Lebewohl zu sagen. Als aktiver Rennfahrer, wohlgemerkt.

Beim 24-Stunden-Rennen Nürburgring 2011 erfüllt er sich einen Traum. Er teilt sich das Cockpit eines Lamborghini Gallardo mit seinen Söhnen Johannes und Ferdinand sowie mit Dennis Rosteck. Inzwischen steht er beim Volkswagen-Konzern im dritten Jahr als Berater und Repräsentant unter Vertrag, 2012 folgt die Berufung zum Präsidenten des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB). In seine Amtszeit fallen kontrovers diskutierte Entscheidungen. Vielleicht ist er im Grunde seines Herzens stets Vollblut-Rennfahrer gewesen und weniger der geborene Sportfunktionär. Auch mit 72 Lebensjahren hat sich daran nichts geändert.

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