Glanz in der Hütte: Dieses Motto gilt mehr denn je am 13. April 2025. An jenem Sonntag bitten die TOURENWAGEN LEGENDEN zu einem Testtag vor Publikum am BILSTER BERG. Mehr als 1.700 Zuschauer wohnen der Generalprobe für die siebte Saison der 2019 gegründeten Rennsport-Serie vor Ort bei. Mittendrin: der 2014 vom deutschen TÜV für den Betrieb auf öffentlichen Straßen geprüfte und abgenommene Manthey-Porsche 911 (996) GT3 RS-MR 516 4.4 – gewiss kein reinrassiger Rennwagen, aber konzeptionell unverkennbar angelehnt an den Siegerwagen eines Langstrecken-Klassikers auf der Nürburgring-Nordschleife. 2006 feiert der spätere Dauersieger Olaf Manthey den ersten Triumph beim 24-Stunden-Rennen auf dem Eifelkurs. An die ausgefeilte Aerodynamik seines “Dicken” angelehnt: der “Grand-Prix”-weiße Supersportler mit Hamburger Zulassung: eine Bestandsaufnahme inmitten reinrassiger Renntourenwagen und Grand Tourisme. Dass der erfahrene Pilot Nils Reimer mit dem etwas mehr als zehn Jahre jungen Einzelstück auch auf Straßen-Sportreifen das Tempo auf der 4.2 Kilometer langen Test- und Präsentations-Rennstrecke im Teutoburger Wald mühelos mitgehen kann, zeigt sich bereits auf den allerersten Metern. Abgesehen davon, begleiten Zeitzeugen der 24 Stunden von Le Mans die Talentprobe: Langstrecken-Vizeweltmeister Harald Grohs und Wegbegleiter Volkert Merl, beide in den achtziger Jahren mit den PS-gewaltigen Porsche-Typen 935 und 956 am Start. Sie schaffen einen würdigen Rahmen für die Ausfahrt des außergewöhnlichen Supercars, dessen Proportionen durchaus zu den “geilen Zeilen” der Gruppe 5 und der Gruppe C passen.
Helm und Rennfahreranzug passen noch bei Nils Reimer, als er am BILSTER BERG nach mehrjähriger Kunstpause wieder schelle Runden dreht. Am Vorabend hat er im Germanenhof, gelegen in der Nachbargemeinde Sandebeck, noch über seinen vorerst letzten Renneinsatz berichtet. Gemeinsam mit seinem langjährigen Mitstreiter “Steve Smith” hatte er sich von der Nürburgring-Nordschleife nach Daytona im US-Bundesstaat Florida umorientiert. Mit einem Porsche 911 GT3 R, vorbereitet nach dem international gültigen GT3-Reglement, startete das Duo zuletzt beim 24-Stunden-Klassiker – um anschließend eine Kunstpause einzulegen. Doch niemals geht man so ganz, und der Manthey-911 (996) GT3 RS-MR 516 4.4 kündet davon. Das höchst performante Einzelstück, im September 2014 seiner Bestimmung übergeben, befindet sich noch immer in bestechender Top-Form. Die Karosserie wirkt makellos, ihre Oberflächen und Spaltmaße zeigen sich in einer Güte wie zum Zeitpunkt der Auslieferung. Zwei Tage zuvor, im “nook 2m”-Fotostudio von Nils Mann in Altendiez, ist unter dem hellen, klaren, einem Operationssaal nicht unähnlichen Licht, derselbe Eindruck von absoluter Perfektion aufgekommen. Am BILSTER BERG will Nils Reimer sich am 13. April 2025 davon überzeugen, wie agil der 516 PS leistende, 4.4 Liter große Sechszylinder-Boxer auch heute noch ist. Nein – ein Rennen wird er damit nicht fahren. Das geht auch gar nicht auf der 4.2 Kilometer langen Test- und Präsentations-Rennstrecke. Dort geht es, wie der Name schon sagt, um sportliche Runden, um pure Dynamik, aber nicht um Zehntelsekunden und schon gar nicht um Positionen. “Genau die richtige Umgebung für unseren Manthey-911 (996) GT3 RS-MR 516 4.4”, findet Nils Reimer, der “Steve Smith” im Teutoburger Wald vertritt.
Am Vorabend hat Harald Grohs mit Nils Reimer am Tisch gesessen. Das Rennfahrer-Original aus Essen ist aus dem fernen Most von einem Sportfahrer-Training angereist, wo er schon seit langen Jahren als Instruktor verpflichtet wird. Der “Nippel”, wie ihn der Volksmund seit seinen haarsträubenden Kapriolen Mitte der siebziger Jahre hartnäckig zu nennen pflegt, hat mehr als eine wüste Anekdote auf Lager – und im Laufe des langen Abends versteht man immer besser, wie der heute 81-Jährige einen der gefährlichsten Zeitabschnitte im Rennsport überleben konnte. Er hat sich stets unbeeindruckt gezeigt und weitergemacht, anders als ein Weggefährte Volkert Merl, der sich am Ende der Saison 1984 zusammen mit seinem Stallkollegen Dieter Schornstein aus dem aktiv betriebenen Rennsport zurückzieht. Vier Jahrzehnte später kehrt er, inzwischen 80-jährig, noch einmal an eine Rennstrecke zurück. Am 13. April 2025 stehen er und Harald Grohs den 1.700 Zaungästen in einer Talkrunde Rede und Antwort. Kurze Zeit später gibt auch Nils Reimer ein Interview – an Bord des Manthey-911 (996) GT3 RS-MR 516 4.4. Nach erfolgreich verlaufener Bestandsaufnahme am BILSTER BERG stellt er zufrieden fest, dass sich die anspruchsvoll modifizierte Technik in bester Verfassung befindet – dank der TÜV-Zulassung auch eine Einladung, den Radius des Clubsports mit Platzreife für sportliche Runden auf der Nürburgring-Nordschleife zu erweitern. Die Nutzungsoptionen vom Trackday bis zum Alpenpass liegen auf der Hand. Natürlich kann man all das auch mit einem 911 GT3 RR neuester Ausführung anstellen – aber versprüht dieser auch das Flair, die große Exklusivität und Entwicklungsgeschichte seines Vaters im Geiste? Zum guten Schluss ist es so wie mit dem Porsche 956, der 1982 den 935 ablöste. Dessen Nimbus, und da verhält es sich wie mit dem Manthey-911 (996) GT3 RS-MR 516 4.4, ist bis heute ungebrochen.
Volkert Merl, geboren am 10. Februar 1944
Der Hamburger Ölkaufmann, heute 81-jährig, prägte ein Jahrzehnt des Rennsports mit drei Teilnahmen und zwei Zielankünften bei den 24 Stunden von Le Mans. 1975 trat er erstmals mit einem Opel Ascona in Erscheinung, zwei Jahre später stieg der Amateur mit Anspruch bereits in die prestigeträchtige Deutsche Automobil-Rennsportmeisterschaft (DRM) ein. 1977 stand ihm ein Porsche 934 turbo zur Verfügung, den er an den Schweizer Peter Zbinden verkaufte – aus gutem Grund, denn nach einem Probeeinsatz in Brands Hatch 1977 unter der Regie von Franz Konrad auf dessen Kremer-Porsche 935 K1 ließ er sich vom Gütersloher Rennstallbesitzer zur Saison 1978 vom Umstieg in den Vorjahres-935 turbo #930 770 0907 mit Einzellader-Motor überzeugen. Ein Jahr später zog der gebürtige Erfurter weiter zum Absteinacher Teamchef Reinhold Joest, bei dem Volkert Merl bis zu seinem Karriereende 1984 unter Vertrag blieb. 1979 war er im Doppellader-935 turbo #930 890 0014 angekommen, mit dem er drei Jahre lang an den Start gehen sollte. Sein Karrierehöhepunkt neben dem Gewinn der Interserie: der Sieg bei den 24 Stunden von Daytona 1980 an der Seite von Rolf Stommelen und Teamchef Reinhold Joest. Wenige Monate später gab Merl an der Seite des Schweizer Unternehmers Claude Haldi und des Einheimischen Bernhard Béguin bei den 24 Stunden von Le Mans seinen Einstand. Nach einem Ausfall mit Claude Haldis Porsche 935 #930 890 0015 folgte 1983 das beste Ergebnis beim Langstrecken-Klassiker an der Sarthe. Mit dem Joest-Porsche 956.105 kamen er, Mauricio de Narváez und Clemens Schickentanz auf den vierten Gesamtrang. 1984 folgte der fünfte Platz in der Gesamtwertung, diesmal mit Dieter Schornstein und “John Winter” als Teamgefährten. Das Rüstzeug für den Erfolg im Prototypen hatte sich der zu diesem Zeitpunkt 40-Jährige mit dem Joest-Porsche 908/3 008, 936.004 und 936 C JR 005 erworben. Volkert Merl, der niemals rückfällig wurde und dem Rennsport fortan konsequent fernblieb, erfreut sich heute bester Gesundheit. Er zählt zu den lebenden Legenden des großen Porsche-Rennsports der siebziger und achtziger Jahre.
Harald Grohs, geboren am 28. Januar 1944
Zwölfmal nahm Harald Grohs an den 24 Stunden von Le Mans teil – zuletzt 1998 mit dem Porsche-Typ 911 (993) GT2 und den kanadischen Mitfahrern John Morton und John Graham. Vier Teilnahmen mit dem 935 turbo und drei weitere mit dem 962C weisen ihn als einen echten Spezialisten mit den Erfolgsmodellen der Edelschmiede aus Stuttgart-Zuffenhausen und Weissach aus. 1980 und 1988 belegte er jeweils den achten Gesamtrang beim Langstrecken-Klassiker im Westen Frankreichs. Im Porsche Carrera Cup Deutschland, 1995 mit dem Neunelfer der Generation 993 ausgetragen, sicherte er sich als 50-Jähriger die Meisterschaft, 1997 gründete er sein eigenes Rennteam mit Schwerpunkt im schnellsten und exklusivsten Markenpokal. “Der Nippel” aus Essen, seit dem Renault 5-Pokal 1974 auf einen Schlag berühmt und berüchtigt, war als gefragter Tourenwagen-Profi stets zweigleisig im Einsatz. 1990 zum Beispiel nahm er parallel an der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft auf BMW M3 E30 2.3 und an der Sportwagen-Weltmeisterschaft mit dem Porsche 962C von Jürgen Oppermann teil. Seine große Popularität und sein ausgeprägter Geschäftssinn ebneten ihm den übergangslosen Weg in den historischen Motorsport, den er er auch nach seinem 80. Geburtstag am 28. Januar 2024 mit großer Leidenschaft betreibt. Grohs, der mit Angelika, geborene Langner, verheiratet ist, lebt den überwiegenden Teil des Jahres auf der Ferieninsel Mallorca. Mit seinen teils haarsträubenden Erzählungen aus der “Geilen Zeit” der Deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft ist er ein beliebter Gast in Talkshows und Interviewrunden. In der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft 1984 und 85, der Vorläuferin der DTM, belegte er auf BMW 635 CSi Gruppe A zweimal den dritten Platz in der Meisterschaftswertung. 1983 siegte er auf BMW M1 Gruppe 4 in der Deutschen Rennsport-Trophäe – sein erster wichtiger Titelgewinn vor dem Triumph im Porsche Carrera Cup Deutschland zwölf Jahre später.