Am 15. Juli 1984 trat ein junger, etwas schmächtig wirkender Brasilianer bei der Endurance-Weltmeisterschaft auf dem Nürburgring in Erscheinung. Ayrton Senna da Silva (24), in der Formel 1 bei Toleman unter Vertrag, gab seinen Einstand im Porsche 956 der Gruppe C. Vier Wochen nach dem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans mit dem berühmten Chassis 956.117 war es auch das zweite große Highlight in der Teamgeschichte von Joest Racing aus Abtsteinach an der Bergstraße. Schwarz und Gelb: Das waren von 1983 an die Hausfarben der Porsche-Prototypen von Reinhold Joest. Sie standen für den Sponsor New Man, und im Zeitalter des Retro-Designs könnten sie schon bald wiederbelebt werden – findet Autor Carsten Krome im aktuellen Blog-Beitrag.

Retro ist in, und das nicht erst seit den Vortests zu den diesjährigen, den 86. 24 Stunden von Le Mans. Mit einem Paukenschlag sorgte das Porsche GT Team für Aufsehen. Anlässlich des 70. Geburtstags der noblen Sportwagenmarke aus Stuttgart-Zuffenhausen traten zwei 911 RSR in berühmten Designs an: der eine im Blau und Weiß der Zigarrenmarke Rothmans, der andere im Rosa der 1971 werksseitig eingesetzten „Sau”. Das weltweite Echo war fast größer als bei den drei Gesamtsiegen mit dem 919 hybrid LMP1, auch wenn die gute Idee nicht wirklich neu gewesen ist. 2011 bereits kam die Vision auf, den scheidenden Typ 9R6 alias RS Spyder in den legendärsten Farbschemata des Porsche-Werksteams auf eine große Abschiedstour zu schicken. Der überwiegende Teil der produzierten Karbon-Fahrgestelle war im Gelb des Logistik-Unternehmens DHL gehalten. Mit der Anlehnung an die traditionellen Sponsor-Looks sollte nach sechs Einsatzjahren ein würdevoller Schlusspunkt gesetzt werden. 2005 ging der LMP2 zunächst in den Vereinigten Staaten auf Erfolgskurs. Auch bei den 24 Stunden von Le Mans war der offene Zweisitzer ab 2008 zu sehen. Die Idee vom RS Spyder alias 9R6 im Blau und Weiß des Rothmans-956 aus dem Jahr 1982 blieb zwar unverwirklicht, aber in den Köpfen. Am 2. Mai 2016 kam sie ein zweites Mal auf. Diesmal, fünf Jahre später, ging es mit Nicolas „Nicki” Raeder, dem Steuermann bei Manthey-Racing, um Ansätze, die die Vermarktung des hauseigenen Porsche 911 GT3-MR (Typ 991.1) beflügeln sollten. Wieder spukte vor allem das alte Bild des Rothmans-956 durch den Raum. Doch auch diesmal blieb es dabei, trotz anfänglicher Begeisterung. Der Umgang mit Markenbestandteilen – für die magischen Martini-Streifen gilt dasselbe – kann in heutiger Zeit langwierig sein.

Erst jetzt, bei den 24 Stunden von Le Mans 2018, beginnt die allmähliche Umsetzung des 2011 – und wohl auch früher – gefassten Retro-Gedankens. Dabei wären auch andere, unabhängig von den Siegen des Porsche-Werksteams berühmt gewordene Farbkombinationen hervorzuheben. Schwarz und Gelb zum Beispiel. 1983 brachte sie der niederrheinische Rennfahrer Clemens Schickentanz, ein Mann mit Prinz-Eisenherz-Frisur, noch im Spätherbst seiner Karriere zu Joest Racing nach Abtsteinach an die Bergstraße. Reinhold Joest hatte zwei Porsche 956 zum Stückpreis von 630.000 D-Mark im Werks-Kundensport bestellt – und den einen vom Aachener Stahlbau-Unternehmer Dieter Schornstein durchfinanzieren lassen. Gemeinsam mit dem Geldgeber New Man, einer Marke aus der Modebranche, wurde ein Schuh draus. Am 10. April 1983 erreichte der Joest-Porsche 956 die Bühne der Marken-Weltmeisterschaft. Beim 1.000-Kilometer-Rennen von Monza in Italien kamen Schickentanz, Hans Heyer und Rolf Stommelen auf den dritten Rang. Doch nur zwei Wochen später verunglückte Stommelen mit einem anglo-amerikanischen Porsche 935 in Riverside, USA, tödlich. Der Saga des 956 mit der Chassis-Endnummer #105 tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil: 1984 erhielt er Verstärkung. Joest bestellte einen neuen, einen dritten Porsche – die Fahrgestellnummer #117. Zweimal triumphierte die Langheck-Flunder bei den 24 Stunden von Le Mans: 1984 mit Klaus Ludwig und Henri Pescarolo, ein Jahr später mit Ludwig, Paolo Barilla und Louis Krages, der sich zu dieser Zeit den Namen „John Winter” verlieh. 1986 lag das Triple in der Luft, doch der Todessturz des Österreichers Jo Gartner – es war eine gefährliche Zeit – löste eine stundenlange Safetycar-Phase aus. Im Bummelzugtempo brach am 956 #117 ein Kühlwasserrohr, Klaus Ludwig musste seine Ambitionen begraben.

Rennsport-Geschichte hatte der schwarz-gelbe New Man-Joest-Porsche 956 trotz alledem geschrieben. Strenggenommen waren es ja drei, die 1983 produzierte Chassis-Endnummer #104 mit eingerechnet. Am 14. Juli 1984 saß ein 24-jähriger Brasilianer in genau diesem Auto – nur ein einziges Mal, bei der Endurance-Weltmeisterschaft auf dem damals neu eröffneten Nürburgring. Ayrton Senna da Silva hieß der Wunderknabe aus Südamerika, ein Debütant der Formel 1 im Toleman-Hart. Knapp zehn Jahre danach verstarb er als Weltmeister der Königsklasse des Motorsports, als Maestro, an erster Stelle liegend. 2014 – weitere zehn Jahre später – umrundete die #104 wieder den Norisring. Auf dem Stadtkurs inmitten Nürnbergs war dieses Monocoque 1983 zum ersten Mal gelaufen, übrigens mit Bob Wollek als Siegfahrer. Inzwischen liegt dieses Ereignis 35 Jahre zurück. Und von weiteren Kapiteln wäre zu berichten. 1987 schwenkte Joest nach einer Änderung im technischen Regelwerk auf den Typ 962C um, für New Man warb nun der japanische Importeur Taka-Q. Im Thompson-Chassis #116 kamen „John Winter”, Frank Jelinski und Stanley Dickens zum Einsatz – klangvolle Namen, auch heute noch. Schwarz und Gelb würde als Retro-Farbschema im heutigen World Endurance Championship (WEC), der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft, für Furore sorgen. Ganz sicher sogar. Mehr noch: Ein Porsche in Schwarz und Gelb nimmt schon jetzt an der WEC teil, eingesetzt vom Erfolgsrennstall Project 1 aus Lohne in Niedersachsen. Hinter diesem 911 RSR mit Startnummer 56 stehen Hans-Bernd Kamps und Jörg Michaelis, die 1993 das beste Markenpokal-Team im Porsche Carrera Cup gründeten und 2018 das erste Vierteljahrhundert mit dem Aufstieg in die Weltmeisterschaft feiern.

Porsche-Werksfahrer Jörg Bergmeister, Egidio Perfetti sowie Patrick Lindsey sind die drei Piloten im Schwarz und Gelb der Neuzeit. Würde es möglich sein, den legendären New Man-Look exakt auf ihre Karosserie zu übertragen? „Aber natürlich!“, stellt der Kommunikations-Experte Carsten Krome aus Münster fest, „da es sich seinerzeit um keinen Werkswagen gehandelt hat und die rechtliche Situation damit eindeutig ist. Mehr noch: Die Adaption des vor 35 Jahren etablierten Designs auf einen modernen Porsche 911 RSR würde einen neuen (Marken-)Kult begründen. Schauen Sie sich doch nur die gesichert sechsstelligen Zugriffsquoten an, die zum Beispiel die Livestream-Übertragungen von den Rennen mit klassischen Tourenwagen aus der gleichen Epoche des Motorsports erreichen. Die Resonanz zeigt, dass ein unerwartet großes Publikum – Jung und Alt gleichermaßen – das sehen will! Das eigentliche Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft!” Das bedeutet: Retro-Look aus den Tagen der Gruppe C, angewandt auf heutige GT-Sportwagen wie den Porsche 911 RSR, hat weit über die 24 Stunden von Le Mans hinaus Zukunft. Martini & Rossi hat mit dem psychedelischen Design des Porsche 917 Langheck 1971 gezeigt, dass Markenpräsenz gänzlich losgelöst von definierten Hausfarben funktioniert (hat). Ist das, was vor annähernd 50 Jahren schon einmal funktioniert hat, heute denn noch zeitgemäß oder schon wieder? Der Vorstoß des Porsche-Werksteams, aufgeladen durch das 70-jährige Jubiläum der Marke, ist ein klarer Hinweis, dass die Zeit reif ist!

Dabei ist zu beachten, dass der schwarz-gelbe New Man-Porsche 956 von Reinhold Joest – abgesehen von Le Mans Classic – nicht an die Sarthe zurückkehren kann, nicht zurückkehren wird. Er passt nicht mehr ins heutige Reglement. Was allerdings geht, ist ein möglichst originalgetreues Übernehmen der siegreichen Farben auf einen heutigen Rennsportwagen. Schwarz und gelb ist der Porsche #56 von Project 1 Motorsport ja bereits – eine lösbare Aufgabe. Moment mal: 956, #56 – ist das Zufall? Wohl kaum! Dennoch weiß Carsten Krome nur zu gut: “Bei klarem Nachthimmel wie jetzt in Le Mans ist der Weg zu den Sternen scheinbar nicht weit. Doch er führt durch den großen, den luftleeren Raum.” Sein Schlusswort lautet, auch in Anbetracht der WEC-Superseason, die in zwölf Monaten in Le Mans enden wird: “Denke ich an Schwarz und Gelb, denke ich an … Lohne und Le Mans!”

Nachsatz: Bei den 86. 24 Stunden von Le Mans im Juni 2018 feierten die drei Porsche-Werkspiloten Michael Christensen (DK), Kévin Estre (F) und Laurens Vanthoor (B) mit dem 991 RSR GTE einen historischen Gesamtsieg in der GT-Sportwagenklasse. Ihr Bolide, der schon jetzt im Museum am Porscheplatz 1 steht, war im Ornat der „Sau“, jenes überbreiten 917 Coupès aus dem Jahr 1971 gehalten. Weltweit hieß es in den sozialen Medien am Tag nach dem Erfolg: „Saugeil ist das neue Modewort!“

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