Über die Zeit mit Niki Lauda: Hans Mezger, Konstrukteur des TAG-turboMotors, im Legenden-Talk mit Carsten Krome.

Die Story.

Am 21. Oktober 1984 entschied ein halber Zähler über den Ausgang der Formel 1-Weltmeisterschaft. Zwölfmal hatten die McLaren-TAG-Piloten Alain Prost und Niki Lauda während der Grand-Prix-Saison 1984 gesiegt. Dabei entfielen sielen Triumphe auf den Franzosen, derer fünf auf den Österreicher. Im Herzschlagfinale von Estoril sicherte sich der Alpenländer den dritten Titelgewinn. Auch für Porsche war dies ein doppelter Grund zur Freude. Mögliches Motto: Welch ein TAG!

Stellen Sie sich vor, heutzutage würde eine 80-Mann-Truppe in die Formel 1-Weltmeisterschaft ziehen und zwölf Saisonsiege kassieren! 1984 lebte McLaren das Undenkbare vor. Teamchef Ron Dennis war gerade 37 Lenze jung, Designer John Barnard hatte das Licht der Welt ein Jahr früher erblickt. Noch jünger: Mäzen Mansour Ojjeh (32). Dem Wüstensohn gehörten Teile der Firma TAG, was “Technologies d’ Avantgarde” bedeutete. Geld war nicht das Problem gewesen, wohl aber die Suche nach einem siegfähigen Motor. Im Grand-Prix-Sport war das Turbo-Zeitalter angebrochen. 1983 eroberte der Brasilianer Nelson Piquet für Brabham-BMW die WM-Krone. McLaren hingegen war auf den Cosworth-Sauger angewiesen. Obendrein dienten Niki Lauda und John Watson in den Cockpits – beides Herren mittleren Alters. Eigentlich sollte Alain Prost aus Frankreich als neuer Hoffnungsträger gelockt werden. Doch der schnelle Renault-Werksfahrer saß im gemachten Nest, stellte Forderungen. Warum ohne Aussicht auf Turbokraft zu den Rot-Weißen wechseln?

 

Mansour Ojjeh stellte die Weichen – und den Kontakt zu Porsche her. Daraus entstand ein Großauftrag. Im Weissacher Entwicklungszentrum sollte ein 1,5 Liter großer Sechszylinder-Turbo entstehen. Hans Mezger – damals 55 – nahm sich des fremdfinanzierten Vorhabens an. Der Diplom-Ingenieur war Ende 1956 in das schwäbische Unternehmen eingetreten. Unter seiner Regie entstanden Legenden wie der Langstrecken-Dominator 917. Trotzdem blieb der Projektleiter bescheiden. 30 Spezialisten scharte er um sich – eine übersichtliche Abteilung. Anfangs musste ein einzelner Prüfstand genügen. Ein zweiter kam erst später hinzu. Konstruiert wurde auf dem Reißbrett, mit Papier und Tuschestift. Zwischen 500 und 600 Zeichnungen entstanden. Die meisten fielen dem Prozess der Verfeinerns zum Opfer. Denn Hans Mezger hatte eine einfache Losung ausgegeben: So wenig Bauteile wie möglich! Das Resultat: Der Treibsatz mit der Typbezeichnung P01 besaß im Vergleich zum Cosworth-Saugmotor ein Drittel weniger Komponenten. Dies erlaubte eine kompakte Bauweise des Fahrgestells. So entstand der legendäre Flaschenhals – eine von Designer John Barnard ersonnene Verjüngung im Heck.

Der McLaren mit dem Weissacher Turbo sollte ein wegweisendes Auto werden. Soeben war Kohlefaser als Werkstoff nutzbar gemacht worden. Folglich steckte Ojjehs Investition in pechschwarzen Rümpfen. Und das reizte nun auch Monsieur Prost. Er schickte den Iren Watson mehr oder weniger in Rente. Lauda hingegen blieb. Acht Jahre nach seinem spektakulären Feuerunfall auf dem Nürburgring musste er noch einmal alles einsetzen. Der Herausforderer saß ihm im Nacken. Dieser Bruderzwist unter Kollegen trieb den gesamten Rennstall an. Zudem brachte Prost Kenntnisse von Konkurrent Renault mit ein. Das beschleunigte das Entwicklungstempo. Doch die Gegner unkten: Zwei Titelanwärter unter einem Dach – das würde niemals gutgehen! Sie sollten sich irren. Zwar legten Brabham-BMW, Williams-Honda, Toleman-Hart und natürlich Renault mächtig nach, aber das nützte ihnen nichts. Das McLaren-Duo fuhr ihnen dank Porsche-Power um die Ohren. Es setzte zwölf Saisonsiege. Sieben entfielen auf Alain Prost, fünf auf Niki Lauda. Der Youngster setzte auf seinen Speed, der Altmeister auf Abstimmungskünste.

Am 21. Oktober 1984 kam es zum Herzschlagfinale. Der Schauplatz: Estoril in Portugal. Lauda, zu diesem Zeitpunkt 35-jährig, startete schlecht in das entscheidende Rennen. Auf dem ersten Satz Qualifikationsreifen hatte er sich verbremst. Beim zweiten Versuch ging das sonst so zuverlässig laufende Triebwerk kaputt. Die magere Ausbeute: Trainingsrang elf. Alain Prost hingegen eroberte den zweiten Startplatz. Laudas Kommentar: “Wenn am Sonntag mit dem Auto alles stimmt, dann komme ich vor. Ist der Motor aber schlecht, dann – shit!” In einer dramatischen Partie rang er Gegner für Gegner nieder, nistete sich an dritter Stelle ein. Doch das reichte nicht. Denn ganz vorne führte Prost, hinter ihm schirmte Nigel Mansell im Lotus-Renault ab. Plötzlich rollte der Engländer jedoch aus. Niki Lauda war nun Zweiter und damit zum dritten Mal Weltmeister. Nach 101 Rennminuten fiel die Zielflagge. Der Jubel war groß, Laudas weiterer Weg vorgezeichnet. Der Aufbau seiner eigenen Fluglinie beschäftigte ihn. 1986 trat er trotz eines Millionen-Angebots von Brabham-BMW zurück. Mit fast 37 hatte er das Schicksal nicht länger herausfordern wollen.

Ein Supertalent war kurz vorher verunglückt. 1984 hatten deutsche Schlachtenbummler skandiert: “Niki Lauda – hahaha. Morgen ist der Bellof da!” Dieser Bellof hieß mit Vornamen Stefan. Doch am 1. September 1985 endete das Leben des 27-Jährigen. In Estoril lag dies noch in weiter Ferne. Es galt, eine Doppelweltmeisterschaft zu feiern, getreu der Devise: Welch ein TAG!

Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins
Fotografie: Privatarchiv Dipl.-Ing. Hans Mezger; Carsten Krome Netzwerkeins

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