Als „Hochzeit“ beschreiben Sportwagen-Enthusiasten in aller Welt den Moment, in dem Motor und Karosserie zueinander finden. Bei den klassischen Porsche 911 mit Gebläse-Luftkühlung mutet dieser Vorgang wie ein Boxenstopp bei einem großen, internationalen Langstreckenrennen an. Denn nur wenige Schraubverbindungen fixieren den kompletten Antriebsstrang des Neunelfers im Hinterwagen. Diese Erkenntnis ist Christian Heitgreß und seinen Mitarbeitern nicht neu. In weniger als 30 Minuten montierten der Warendorfer Werkstattbetreiber und zwei seiner Mitarbeiter einen besonderen Sechszylinder-Boxer in einem gleichsam besonderen Chassis.
Mittwoch, 22. Januar 2020, 9.00 Uhr morgens: Dass bei Heitgreß Performance an der Waterstroate im westfälischen Warendorf in wenigen Augenblicken etwas Außergewöhnliches passieren wird, ist allen Anwesenden deutlich anzumerken. Das Deckenlicht in der Werkhalle leuchtet heller als er trübe Wintermorgen draußen vor der Tür, auf einem Rollwagen liegt ein Sechszylinder-Boxermotor mit gelb lackiertem Kühlgebläse-Lüfterrad einbaufertig bereit. Die Saugspinne, die die Ansaugluft den Brennräumen zuführt, ist mit hochglänzender Karbonfaser überzogen worden – Indiz für einen bemerkenswerten Unterschied zur Serie. Und tatsächlich: Der Hubraum ist von 3.600 auf 3.800 ccm angehoben worden, so war es auch vor 27 Jahren beim Carrera RSR 3.8 Coupé anno 1993. Christian Heitgreß betreute eins der insgesamt 51 gebauten Coupés mit 350 Pferdestärken als verantwortlicher Fahrzeugleiter, Elmar Grimm aus Münster saß damals am Rennlenkrad. Aus dieser Zeit stammt das Know-how, auf das der Technicus nun zurückgriff. Er baute den Treibsatz mit vielerlei Rennsport-Innereien eigenhändig neu auf. Lediglich die Abstimmung auf dem Leistungsprüfstand erfolgte bei Reinhold und Gerhard Schmirler – das Brüderpaar firmiert unter dem Kürzel RS Tuning – in Kirchhaslach im Allgäu.
Die Anpassung an das Abgassystem aus Edelstahl-Rohrmaterial schloss einen Prüfstandslauf bei RS Tuning mit ein. Am 22. Januar 2020 lag die Auspuffanlage zur endgültigen Montage auf einem zweiten Rollwagen bereit. Dann ging alles ganz schnell, wie im Zeitraffer. Das dokumentiert auch ein YouTube-Video, das die 30-minütige Zeremonie in sämtlichen Phasen festgehalten hat. Zunächst musste der Rollwagen mit dem Motor millimetergenau in der Flucht des leeren Triebwerksraums in der großzügig abgeklebten Karosserie platziert werden. Das modifizierte und in intensivem Blau soeben erst lackierte Gehäuse eines Porsche 911 Carrera 2 Tiptronic Coupés (Typ 964) ruhte unterdessen fast unter der Hallendecke auf der Hebebühne. In winzigen Schritten senkte sich das Fahrgestell nun ab, immer weiter dem darunter stehenden Dreiachter mit Doppelzündung entgegen. Schließlich stieg das Aggregat in den Motorraum auf, höher und höher, kritisch überwacht von Projekt- und Fahrzeugleiter Christian Heitgreß. Konzentriert gab er den Mitwirkenden seine Kommandos: „Unten jetzt aufpassen – weiter nach links – Schrauben reindrehen!“
Letzteres passierte in verblüffend kurzer Zeit, denn die Zahl der Schraubverbindungen ist klein bei der Modellgeneration 964. „Die haben bei Porsche halt immer schon an den Motorsport gedacht“, konstatierte Christian Heitgreß vor Ort, „das konnte denen nie schnell genug gehen.“ Er lebt offenbar selbst in dieser Tradition, denn viel schneller als erwartet war die Hochzeit auch schon wieder vorbei. „Natürlich ist jetzt noch längst nicht jede Leitung angeschlossen, das dauert natürlich. Aber der Motor sitzt nun fest, er hängt getriebeseitig lediglich an einem Träger aus Aluminium-Guss.“
Die Arbeiten am Porsche-Backdating-Großprojekt aus dem Herzen Westfalens setzen sich währenddessen fort. Das Ziel ist eindeutig umrissen: Das erste Fotoshooting der Saison 20 | 20 im Säge- und Palettenwerk Lüffe-Baak in Harsewinkel-Greffen, es soll dem Heitgreß-Porsche 911 im Look and Feel des Kaege Retro aus Stetten in der Pfalz gelten – eine Bundesländer übergreifende Arbeitsgemeinschaft zweier Profis auf ihrem Gebiet. Und der genaue (Foto-)Termin? „Am liebsten schon gestern!“, lacht Christian Heitgreß und ruft eher scherzhaft in die Tiefen der hell beleuchteten Werkhalle hinein: „Weiterarbeiten, Jungs!“
Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins
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Phase drei: im Frühtau zu Ladbergen.
Erstes Warendorfer Restomod-Projekt auf dem (Leistungs-)Prüfstand.
( … to be continued … )
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Veröffentlicht am: 27. Sep. 2020 um 09:11 Uhr
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