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Fotografie: Farid Wagner, pitwall media

Dreistellige Startnummern sind in der P9 Challenge nicht ungewöhnlich, weisen sie doch auf die Zuordnung der einzelnen Klassen hin. Steht eine Fünf am Anfang, handelt es sich fast immer um einen der schnellen Überflieger aus dem vorderen Teil des Starterfeldes. Beim Zillertaler Porsche-Spezialisten Alois Rieder und dessen 911 GT3 R (Generation 991.1), der als 2016 produziertes Chassis in der Klasse 5b antritt, ist das Zahlenspiel doppeldeutig. Denn auch bei ihm selbst steht seit dem 1. April 2019 eine Fünf vorne: Der Mann ist Jahrgang 1969 und in der alpenländischen Porsche-Rennszene seit vielen Jahren ein wahrer Dauerläufer – aber nicht nur er, sondern auch die drei treuen Freunde an seiner Seite.

Samstagabend am Norisring, es ist der 9. Oktober 2021. Allmählich bricht die Dämmerung herein, frisch wird es im letzten Licht des Tages. Da sitzen vier Männer – Alois, Christoph, Ulrich und Christian –  im Zelt des Serien-Veranstalters Bernhard Fischer an einem langen Biertisch und ratschen mit all den anderen um die Wette. Laut ist es, der Duft von Grillgut zieht herein, es wird gelacht und einander zugeprostet. Nur einer der vier trägt noch immer seinen weißen Rennfahrer-Overall aus feuerfestem Gewebe, gerade eben drückt er seinen Glimmstengel aus. In der unverkennbar knackenden Mundart eines Alpenländers sinniert er, noch während sich der letzte Zigarettenrauch verzieht: „Wir sind hier im Fahrerlager eher eine kleine Nummer, aber dafür sind wir Legenden!” Der mehrfache Unternehmer aus Ried im Zillertal ist einer, der gleich auf den Punkt kommt. „Wir reisen nicht wie viele andere mit einem professionellen Team-Auflieger an, sondern mit unserem Anhänger hinter dem VW-Bus. Wir betreiben den Motorsport bewusst so, wie wir ihn vor weit mehr als zehn Jahren im Porsche-Alpenpokal bei uns daheim in Österreich kennengelernt haben. Gut finde ich, dass wir in der P9 Challenge auch die Gelegenheit dazu bekommen!”

Bekenntnisse eines Dauerläufers: „Wir sind hier im Fahrerlager eher eine kleine Nummer, aber dafür sind wir Legenden!”

Fotografie: Farid Wagner, pitwall media

Der Tiroler fühlt sich gut aufgehoben in einer Szene, die sich seit 2013 aufgebaut hat. Das Format erinnert in seinen Grundzügen an die einstige Clubsport-Herrlichkeit der Alpenländer. Alois Rieder kam vor mehr als einem Jahrzehnt mit einem Porsche 911 turbo der heute am Sammlermarkt stark gefragten Modellreihe 964 in den Porsche Alpenpokal, in dem zu dieser Zeit der Pullacher Zahntechniker Bernhard Fischer als Promoter die Richtung vorgab. Rieder zeigte insbesondere bei regennassen Streckenverhältnissen Feingefühl und lieferte sich erfrischende Zweikämpfe mit Christian Überbacher, der einen ähnlichen Fahrzeugtyp an den Start brachte. Doch das Alpenpokal-Idyll löste sich auf, als die Mehrheit der aktiven Fahrer auf die aggressiveren Cup-Versionen umstieg. Mit dem Argument stetiger Modellpflege gab Porsche regelmäßig neue Aerodynamik- und Leistungsstufen frei – mit absehbaren Konsequenzen: Der Innovationsdruck war hoch im Starterfeld, obendrein verschärfte sich der Wettbewerb, die Competition. Dennoch erwarb Alois Rieder von Arkin Aka, der türkisch-stämmigen Schlüsselfigur bei Attempto Racing in Hannover, einen vormals vom Dänen Nicki Thiim pilotierten 911 GT3 Cup der Generation 997. Gleich beim ersten Einsatz auf dem Red Bull Ring war der Debütant unverschuldet in eine Startkollision verwickelt. Anschließend benötigte er eine neue Rohbau-Karosse. Auch nach erfolgter Instandsetzung fand er nur mäßigen Gefallen am Kontaktsport in der internen Markenpokal-Liga – und wechselte in einen 911 RSR derselben Modellgeneration 997. Das Chassis mit Le-Mans-Historie lieferte Felbermayer-Proton Racing. Doch erst nach einem wie schon in Spielberg unverschuldeten Crash mit anschließendem Karossen-Austausch setzte sich in Brünn die Erkenntnis durch, dass auch der GTE-Bolide in einem Museum besser aufgehoben sein würde. „Meines Wissens sind keine 30 RSR in dieser Ausführung von der Porsche-Kundensport-Abteilung produziert worden”, mutmaßt Alois Rieder, „da ist es doch klüger, ein so seltenes Sonderserien-Exemplar eben nicht als einen Gebraucht-Rennwagen zu sehen, sondern es als Sammler- und Anlageobjekt wegzustellen.”

Vier Freunde: Alois Rieder und Ulrich Ritzer, Christoph Eller sowie Christian Überbacher – einst Kontrahent im Porsche-Cockpit.

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Fotografie: Farid Wagner, pitwall media

Der Dritte im Bunde der wassergekühlten Sauger: ein 2011 an Alfred „Fredl” Herberth gelieferter und bei den Zwölf Stunden von Mugello im gleichen Jahr erfolgreich eingesetzter Porsche 911 GT3 R – eine FIA-GT3-Ausführung, wie der RSR noch auf dem Erfolgstyp 997 basierend. Später erhielt der Langstrecken-Racer den “Step 2013″, ein seinerzeit durch den führenden Porsche-Entwicklungspartner Manthey-Racing definiertes Aerodynamik-Update-Paket. Solchermaßen gerüstet, beschritten Alois Rieder und seine drei mitreisenden Freunde Ulrich Ritzer, Christian Überbacher – der einstige Gegenspieler aus dem Porsche-Alpenpokal – und Christoph Eller den Weg weiter. Im Hintergrund wirkte auch Rainer Sauter als Motorenmann mit, er stimmte das Vierliter-Aggregat auf den 72-Millimeter-Air-Restrictor ab, der vom technischen Reglement mit der „Balance of Performance” des ADAC GT Masters von 2016 vorgeschrieben wird. 498 PS kursierten 2019 als vorsichtige Leistungsangabe – und noch eine andere Zahl: an die 30.000 abgeleistete Rennkilometer. „Das ist schon eine alte Tante”, räumte Alois Rieder im Frühjahr 2019 ein, „die Mehrheit im Team ist für die Anschaffung eines Porsche neueren Datums. Andererseits ist der 997 ein ausgesprochen zuverlässiges Auto – aber so ein Modellwechsel bindet auch Zeit, und die ist knapp.” Rieder betreibt eine Zimmerei, einen Hoch- und einen Fensterbau – sowie eine vom Vater Richard Rieder übernommene Quelle, aus der ein Mineralwasser sprudelt. Alpquell heißt das Produkt überaus zutreffend, zwischen 80 und 100 Jahren rinnt es durch das Gestein der Zillertaler Alpen, ehe es schließlich die Abfüllanlage erreicht. Auch im Fahrerlager der P9 Challenge wird das Wasser als Gruß aus der österreichischen Urlaubsregion gern getrunken – und eine Vergangenheit in der Formel 1 der wilden siebziger Jahre hat es obendrein. „Ja, gib doch mal den Rennfahrer-Namen Hans Binder bei Google ein!“, schlägt der Sprudelwasser-Mann ganz unprätentiös vor.

An die 30.000 abgeleistete Rennkilometer: „Unser 997 GT3 R ist schon eine alte Tante”, räumte Alois Rieder im Frühjahr 2019 ein.

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Fotografie: Farid Wagner, pitwall media

Inzwischen ist der Geschäftsmann aus den Bergen in einen 2016 ausgelieferten Porsche 911 GT3 R der Modellgeneration 991.1 umgestiegen. Die Philosophie ist dieselbe geblieben. Und die Startnummer 569, woher rührt die? Am Tisch kommt Heiterkeit auf. Ulrich Ritzer, einst selbst im Porsche-Alpenpokal auf einem Porsche 911 (993) RS mit Biturbo-Bolt-On-Umbau von Ferdinand Pietz aktiv gewesen, klärt schließlich auf: „Der Alois ist im vierten Monat des Jahres 1969 geboren, am 1. April 2019 ist er 50 geworden.” Was ihn und seine drei Mitreisenden unverändert antreibt: Leidenschaft, pure Leidenschaft. Die das Quartett auch schon einmal nach Monza in die Lombardei reisen lässt – nur für ein Qualifying, bei dem die Windschutzscheibe platzt. Mangels Ersatz ist früh Feierabend: Tonlos, geschlagen und schwer enttäuscht schleichen sich die vier Enthusiasten vom Platz – um mit (O-Ton) „frisch hergerichtetem” Porsche zurückzukommen. Beim nächsten Mal eben. Dass ihnen diese Geschichte hier am Herzen liegt, können sie kaum verbergen. „Ja, wann erscheint denn das Gschichterl?”, fragt schließlich einer der vier vorsichtig nach. Na, eben jetzt, hier!

Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome, netzwerkeins GmbH

Fotografie: Farid Wagner, pitwall media; Petra Pollmann für die netzwerkeins GmbH

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Fotografie: Farid Wagner, pitwall media, für die netzwerkeins GmbH