1994 beendete Jürgen Feucht seine DTM-Karriere. 23 Jahre später fasst der 1.96 Meter große Südhesse sein Comeback ins Auge: Mit dem schwarz-roten Challenger-Ford Mustang GT 5.0 will er bei den Tourenwagen Classics 2018 mitmischen. Der Outlaw aus Langen bei Darmstadt verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Entgangene Siege sollen nachgeholt werden, denn erst jetzt passt das Reifenmaterial.

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Der gelernte Porsche-Motorenbauer bei Gante-Racing in Darmstadt hat sich entschieden: Nach einem Gastspiel bei den Norisring Race Classics am 28. Juni 2014 will Jürgen Feucht noch einmal ernsthaft Rennen fahren. Dazu plant er, gemeinsam mit seinem technischen Leiter Robert Voos jenen Challenger-Ford Mustang GT 5.0 aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, mit dem er 1992 in die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft eingestiegen ist. Nach drei Einsatzjahren musste der DTM-Outlaw mit dem unverwechselbaren Äußeren – lange Haare, markante Gesichtszüge, John-Lennon-Brille – mit Abschluss der Saison 1994 seine Karriere beenden, da das US-amerikanische Coupé mit dem fünf Liter großen Achtzylinder-Motor nicht länger startberechtigt war. Während sein Ford-Markenkollege Gerd Ruch noch ein Jahr lang mit einer C-Klasse von Mercedes-Benz der DTM erhalten blieb, zog Feucht sich zurück. Seinen Mustang verkaufte er nicht, vielmehr lagerte er ihn ein. Nach 15 Jahren Standzeit nahm er ihn 2009 wieder in Betrieb, um an einem Schaufahren auf der Nürburgring-Nordschleife teilzunehmen. Dieses Ereignis markierte den Auftakt des von Christian Reinsch und Alexander Ferreira ins Leben gerufenen Tourenwagen Revivals. 300 Arbeitsstunden investierten Feucht und seine Mitstreiter in das Erlebnis, auf den Eifelkurs zurückgekehrt zu sein. Vor etwas mehr als drei Jahren dann die nächste Demonstrationsfahrt, diesmal in Nürnberg. Stephan Sack trat in Zusammenarbeit mit Alexander Ferreira als Organisator auf. Bei den Norisring Race Classics am 28. und 29. Juni 2014 ergab es sich, dass ein Führungswagen der Rennleitung das Tempo bestimmte. So sah es das Reglement vor. Die Beanspruchung des Materials war unter diesen Bedingungen unkritisch. Ein Fahr-Eindruck gab Jürgen Feucht freilich zu denken: Erstmals hatte er den Mustang mit modernen Pirelli-Reifen ausgerüstet. Besonders in der schnellen Kurvenkombination des “Schöller-S”, die am rechten, äußeren Straßenrand auf klappernden Steinplatten ausläuft und eine exakte Linienführung erfordert, stellte er fest, dass die Bodenhaftung im Vergleich mit den früheren Zeiten deutlich besser war. Immer wieder ließ er sich weit hinter das “Pace Car” der Rennleitung zurückfallen, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Er konnte dies ausschließlich der neuen Pirelli-Reifengeneration zuschreiben, da das 575-PS-Geschoss technisch unverändert geblieben war. Schon damals schätzte er, auf dem Norisring Rundenzeiten um die 50 Sekunden vorlegen zu können. Drei Jahre später, Ende Juni 2017, gastierten die Tourenwagen Classics auf dem Norisring – im Gegensatz zu den Demonstrationsfahrten drei Jahre zuvor ein reguläres Rennen über 40 Minuten. Stefan Rupp, der Trainingsschnellste im 1996er Alfa Romeo 155 V6 ti aus der ITC 1996, ließ am 1. Juli 2017 in 53.19 Sekunden die absolute Trainingsbestzeit notieren. Jürgen Feucht hatte am 26. Juni 1993 – noch auf Reifen der alten Generation – 54,36 Sekunden vorgelegt. Mit dieser Leistung hätte er bei den Tourenwagen Classics 2017 auf dem dritten Startplatz, noch vor dem Tabellenführer Thorsten Stadler mit der 1994er Mercedes-C-Klasse von Ellen Lohr, gestanden. Im Rennen am 2. Juli 2017 zeigte sich dieselbe Tendenz: Thorsten Stadler ließ auf seiner Siegesfahrt eine schnellste Rundenzeit von 53,963 Sekunden notieren – nur vier Zehntelsekunden unterhalb Jürgen Feuchts Bestleistung 23 Jahre zuvor an gleicher Stelle.

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Nicht zuletzt diese Fakten ermutigen Jürgen Feucht und Robert Voos, den langjährigen technischen Leiter, ein Comeback vorzubereiten. Das Duo kennt sich aus gemeinsamen Corvette-Zeiten, als Jürgen Feucht ein 1968 von Marc Donohue genutztes Fahrgestell mit einer leichtgewichtigen Karosserie aus Kunststoff und einem Langpleuel-Motor aus eigener Fertigung versah, um damit gleich zweimal hintereinander die Spezial Tourenwagen Trophy (STT) gegen eine Phalanx aus Porsche 935, Audi 200 Quattro und BMW M1 Turbo zu gewinnen. Geschäftlich betätigte sich der Motoren-Spezialist zu dieser Zeit auch im Wassersport. Als Halter des Hochgeschwindigkeits-Rekordes auf dem Rhein baute er sich einen exzellenten Zugang zu dieser Szene auf. Zahlreiche seiner Bootsmotoren basierten auf dem weiterentwickelten Kurbeltrieb der Chevy Corvette, einige wenige aber auch auf dem “Big Block” des Ford Mustang. Nachdem letzteres Aggregat auf den Prüfständen mit 565 DIN-PS gemessen worden war, fiel im Sommer 1991 der Beschluss, in die DTM einzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten die beteiligten Hersteller ein neues Motoren-Reglement, basierend auf einheitlich nur noch 2.500 ccm Hubraum, aus. Jürgen Feucht erkannte darin die fast schon historische Chance, letztmalig auf das Potenzial eines doppelt so großen “Big Bangers” aus den Vereinigten Staaten hinweisen zu können. Dazu plante er, sein Know-How in ein bereits existierendes Mustang-DTM-Chassis einzubringen. Dies übernahm er am 1. November 1991 von Heinz Becker aus Hagen nach nur einem Einsatz. Das praktisch neuwertige Coupé bauten er und Voos nach einem Testeinsatz auf dem Hockenheimring im November 1991 bis zum Start der DTM-Saison 1992 neu auf. Doch schon beim Serien-Einstand 1992 im belgischen Zolder zeigte sich das Kernproblem des Exoten im Starterfeld: Reifen und Hinterachse harmonierten nicht miteinander. Die Konsequenz: Zwischen dem ersten und dem zweiten Rennlauf wechselte Feucht, der unter seiner Firmierung “Challenger Racing” antrat, kurzerhand die Reifenmarke! Nachdem sich die Hersteller Audi und BMW Ende 1992 aus der DTM zurückgezogen hatten und die Organisatoren verlegen um jeden einzelnen Starter sein mussten, erhielten die Privatteams größere technische Freiheiten – und Jürgen Feucht die Zusage, zwei weitere Jahre mit fünf Litern Hubraum mitfahren zu dürfen. Erst nach Abschluss der DTM-Saison 1994 sollte der Ford endgültig ausgemustert werden. Der Mustang erhielt breitere Kotflügel, breitere Reifen, einen wuchtigeren Bugspoiler und ein zusätzliches Heckflügelblatt, das Grundübel jedoch blieb bestehen: Die Reifen waren zu keinem Zeitpunkt optimal, und Entwicklungspneus standen zu dieser Zeit allein den großen Herstellerteams zur Verfügung. 23 Jahre später, mit Pirelli-Reifenmaterial der heutigen Generation, glaubt Jürgen Feucht an realistische Siegchancen in der Auseinandersetzung mit den DTM-Siegerwagen und Fahrerkollegen von einst. Inzwischen greifen ehemalige Werkspiloten wie Klaus Ludwig, Roland Asch oder auch Altfrid Heger wieder in die Volants. Bei den Tourenwagen Classics will Jürgen Feucht im kommenden Jahr eine alte Rechnung begleichen. Er hat lange darauf gewartet. Vorher muss er jedoch eine lange To-Do-Liste abarbeiten. Neben der technischen Revision des Mustang mit all seinen speziell angefertigten Einzelteilen gilt es auch, Sponsoren für das Abenteuer zu gewinnen. Das Rennen vor dem eigentlichen Rennen hat längst begonnen.

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Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins

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@Wikipedia: Jürgen Rudolf Feucht (* 14. Oktober 1952) ist ein deutscher Automobilrennfahrer.

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