Punktlandung am Dienstag vor dem 38. AvD-Oldtimer-Grand-Prix 2010 Nürburgring: einen Tag, bevor sich Manfred Winkelhocks tragischer Unfalltod zum 25. Mal jährte, informierte Kremer Racing über veränderte Besitzverhältnisse. Der 1962 von den Gebrüdern Erwin und Manfred Kremer in Köln gegründete Traditionsrennstall war von der Ebi Racing GmbH & Co. KG übernommen worden. Was in der Formel 1 Alltag ist, sollte auch in der Renn- und Straßenszene neue Akzente setzen. Stellvertretend für den Umschwung im Kölner Stadtteil Ossendorf stellte sich Eberhard A. Baunach, damals 46-jährig, zu einem Exklusiv-Interview zur Verfügung. Die überraschende Kernaussage: “Wir können alte und neue Welt!” Carsten Krome greift das Gespräch zehn Jahre später noch einmal auf. Es hat nach wie vor seine Gültigkeit.

Carsten Krome: “Eberhard Baunach, aufmerksame Leser haben Sie 2007 im Zusammenhang mit dem Vaillant-935 K2 von Kremer kennengelernt. Nun sitzen Sie uns als Vertreter der Ebi Racing GmbH & Co. KG gegenüber, die Kremer Racing übernommen hat. Eine rasante Entwicklung, finden Sie nicht auch?“

Eberhard Baunach: “Durchaus, wenn man bedenkt, dass ich mich tatsächlich erst vor drei Jahren auf den Vaillant-Kremer-935 K2 eingeschossen habe – wohlgemerkt als Fahrer.“

C.K.: “Der 1977er Einzellader-935 – sei er nun von Porsche oder Kremer aufgebaut worden, gilt als schwierige Aufgabe. Haben Sie dieses historische Fahrzeug bewusst als Einstieg gewählt oder gab es eine Vorgeschichte?”

E.B.: “Es gab eine Vorgeschichte und 2010 auch ein Nachspiel. Ich habe auf Aston Martin die 24 Stunden Nürburgring bestritten.“

C.K.: “Sie sind demnach nicht auf den historischen Sport und klassische Autos ganz allgemein fixiert?“

E.B.: “Als Inhaber von Ebi Racing mit einem top-modernen Rollenprüfstand nach DTM-Zuschnitt stelle ich fest, dass wir alte und neue Welt können. Wir sind in der Lage, 1.000 PS sowie 1.000 Newtonmeter zu bewältigen. Das ist die Botschaft, die auch für Kremer Racing gilt: Wir können definitiv beides – klassisch und modern!“

C.K.: “Die Übernahme durch Ebi Racing führt für Kremer Racing zu einer strategischen Verjüngung?“

E.B.: “So kann man es auf den Punkt bringen. Nach Erwin Kremers Tod im September 2006 und dem Ableben seiner Ehefrau Christel zwei Jahre später engagierte sich in der Zwischenzeit Manfred Kremer für das Unternehmen. Er gab die Staffette an mich weiter.“

C.K.: “Über welchen Altersunterschied reden wir?“

E.B.: “Manfred Kremer ist eine Rennsportlegende, er hat das 70. Lebensjahr überschritten. Ich selbst bin 46.“

C.K.: “Was haben Sie mit dem Betrieb kurzfristig vor?“

E.B.: “Wir wollen das altbekannte Kremer-Leistungsspektrum wieder voll aufleben lassen!“

C.K.: “Kremer war früher nicht nur Einsatzteam im Porsche-Sport, sondern auch erste Adresse für die Optimierung sportlicher Straßenfahrzeuge!“

E.B.: “Das ist uns bewusst und da können wir auch wieder hin. Durch Ebi Racing steht eine top-moderne Infrastruktur zur Verfügung. Warum sollten wir uns nicht auch mit heutigen Fahrzeugen beschäftigen?“

C.K.: “Gilt das auch für den Spitzensport, den Kremer Racing bis 1999 als Teilnehmer der 24 Stunden von Le Mans mitgestaltete?“

E.B.: “Es ist eindeutig zu früh, sämtliche Optionen auf einmal durchzuspielen. Wir sind uns jedoch der Tatsache bewusst, dass dem Kremer K8 Spyder und Lola-Ford vor zehn Jahren ein Abriss folgte.“

C.K.: “Welche kurzfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?“

E.B.: “Zunächst gilt es, Kremer Racing und Ebi Racing zusammenzuführen. Aus beiden Häusern wird sich eine schlagkräftige Truppe formieren, da bin ich sicher!“

C.K.: “2012 wird Kremer Racing 50 Jahre alt oder jung, ganz wie man will. Welche Aktionen haben Sie für das Jubiläumsjahr geplant?”

E.B.: “Le Mans Classic findet alle zwei Jahre statt, so auch 2012. Wir werden definitiv dabeisein.”

C.K.: “‘Uns gibt es noch!’ war Erwin Kremers etwas deprimierte Kernaussage. Was wollen Sie anders machen, um auch für jüngere Kundenpotenziale attraktiver zu werden?“

E.B.: “Auch die jüngeren Sportwagen-Enthusiasten verbinden Kremer Racing mit Motorsportgeschichte. Das ist einer unserer Markenwerte. Geschichte ist für uns aber auch gleichbedeutend mit Identität. Das unterscheidet uns möglicherweise von anderen. Wir arbeiten gerade an der Neuauflage einer berühmten Kremer-Rennversion auf 911-Basis. Damit wollen wir aufzeigen, was wir auch heute noch können.“

C.K.: “Sie haben uns neugierig gemacht!“

E.B.: “Das kann ich mir vorstellen! Es geht dabei um den Kremer-935 K4 aus dem Jahr 1981. Dabei handelte es sich um eine Gitterrohrrahmen-Konstruktion, die ungewohnte Fertigungsprozesse erforderlich werden ließ. Wir haben heute Zugriff auf sämtliche Projektbestandteile, Modelle und Unterlagen, die vor 29 Jahren entstanden.”

C.K.: “Die Rekonstruktion des 935 K4, von dem nur zwei existierten, käme einer Weltsensation gleich. Welche konkreten Schritte unternehmen Sie in dieser Richtung?“

E.B.: “Wir sind an einem Kunden interessiert, der sich – genau wie wir – für dieses Vorhaben begeistert.“

C.K.: “Von welcher Projektdauer muss ein K4-Kunde ausgehen?“

E.B.: “Wir gehen von elf Monaten aus, geben wir uns einen zwölften Monat für Unvorhergesehenes!“

C.K.: “Welche Vorteile verspricht ein Kremer-935 K4 gegenüber den derzeitigen Hauptdarstellern des historischen Motorsports?“

E.B.: “Der K4 markiert den Gipfelpunkt der Evolution des Porsche 935 mit Abgas-Turbo-Aufladung. Zwischen dem ersten Kremer K1 1976 und dieser ultimativen Version lagen gerade einmal fünf Jahre. Kremer Racing begleitete diese Entwicklung nicht nur, sondern prägte sie mit dem Sieg in Le Mans 1979. Für uns ging die Geschichte damit nicht zuende, genau das wollen wir anpacken!”

C.K.: “Eberhard Baunach – vielen Dank für dieses offene Gespräch! Wir wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeitern viel Erfolg!“

Interview: Carsten Krome Netzwerkeins (10. August 2010)
Photography: Carsten Krome Netzwerkeins

Fußnote: Das jüngste Projekt, die Nachbildung des 1976 in der Marken-Weltmeisterschaft und bei den 24 Stunden von Le Mans eingesetzten “Kremer-935 K1”, präsentierte sich beim Kremer-Trackday am Dienstag vor dem 38. AvD-Oldtimer-Grand-Prix 2010 Nürburgring in bester Verfassung. Profi-Rennfahrer Altfrid Heger aus Essen, mit Maserati in der FIA-GT1-Weltmeisterschaft aktiv, begleitete den Einsatz.

10. August 2020 – zehn Jahre nach der Übernahme von Kremer Racing: Eberhard A. Baunach zieht Bilanz.

Kann man ein- und dasselbe Interview zweimal führen, obendrein mit denselben Protagonisten? Ja, man kann! Einzige Voraussetzung: Es müssen auf den Tag genau zehn Jahre zwischen den beiden Gesprächen liegen. Und so kam es, dass sich Eberhard A. Baunach und Carsten Krome nicht nur am 10. August 2010 in Köln-Ossendorf trafen, sondern eben auch am 10. August 2020 – übrigens an exakt gleicher Stelle, an der Von-Hünfeld-Straße. Der Anlass: eine (Zwischen-)Bilanz. Zehn Jahre ist es her, dass der Diplom-Kaufmann und (Hobby-)Rennfahrer Baunach den 1962 von Erwin und Manfred Kremer gegründeten Traditions-Rennstall übernahm. Der heute 56-Jährige rollt noch einmal die Vergangenheit auf, bewertet aber auch die Gegenwart und wagt einen Ausblick in die Zukunft. Der soeben in den Weltmarkt eingeführte Kremer-997 K3R wird, was das betrifft, entscheidende Akzente setzen. Das Interview nimmt Sie etwas mehr als 21 Minuten in Anspruch – nach einem ersten Aufnahmeversuch unter subtropischen Bedingungen und dem temperaturbedingten Ableben zweier Kameras (!) funktionierte im zweiten Anlauf zumindest noch die technische Notfall-Besetzung. Dass deren Ton trotz eines professionellen Rhode-Mikrofons stellenweise knackt, sei vorsorglich angemerkt – dennoch viel Vergnügen mit spannenden Inhalten, weniger mit (Knack-)Effekten!