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1992er 911 Carrera 2 Coupé mit BBS E28

Gekreuzte Speichen und verwandte Lebenslinien

Mit Bernhard Fischer und den BBS-Sonderrädern ist das eine ganz einfache Sache. Weil der gelernte Zahntechniker-Meister von 1990 an selbst mit dem Porsche 911 seine Runden drehte, machte er sich seine Gedanken über Rennstrecken-geeignete und gleichzeitig TÜV-kompatible Räder. Und weil es in seinem Geschäft stets auch um Materialien und um ihre Bruchfestigkeiten geht, war die Brücke zu einer eigenen Kleinstserien-Fertigung bald geschlagen. Mehr noch: Fischer wuchs mehr und mehr in die Rennserien-Organisation hinein und machte sich so mit den Marktverhältnissen im Porsche-Clubsport vertraut. Dass das Ganze mehr miteinander zu tun hat als anfangs vielleicht angenommen, zeigt eine Bestandsaufnahme in einem Fahrerlager mitten im Freistaat.

„Weißt Du, mein älterer Bruder, der Manuel, der hat gleich sein Rennen“, eröffnet Stefan mit einem Blick auf seine Uhr. „Bis dahin muss ich wieder zurück im Teamzelt sein.“ Das versteht man, natürlich – zumal  Manuel einem Porsche 911 GT3 Cup der Generation 991.1 mit 460 PS die Sporen gibt. Stefan, sein 39-jähriger Bruder, fährt keine Rennen. Dennoch ist er eng verbunden mit der Leistungsgesellschaft der P9 Challenge. Davon zeugt ein Porsche 911 (Typ 964, Modelljahr 1992) in „Marineblau metallic“ auf BBS-Rennsporträdern mit klassischen, goldenen Sternen im Kreuzspeichen-Design. Der Neunelfer, der früher einmal dem Vater der beiden Brüder gehört hat, ist aber kein Rennwagen. Vielmehr ist das chice Coupé für den Alltagsverkehr zugelassen. Selten sind aktiv betriebener Motorsport und Fahrspaß auf der Straße so eng miteinander verbunden gewesen. Das macht neugierig, und so wird später der gemeinsame Weg in die Tiefen des Fahrerlagers führen. „Der Bernhard Fischer weiß über alles bescheid“, verrät Stefan und kann die wachsende Anspannung kaum verbergen. Bevor es er lossprinten kann, gilt es aber noch, den Neunelfer ins rechte Licht zu rücken.

Der Platz ist nicht nur Insidern bekannt. Auch eine Partie frohgelaunter Ordnungshüter beobachtet die Szenerie. Schließlich ist es Renntag in Nürnberg, da will das weitläufige Areal gesichert sein. Dass sie die bodenturnende Fotografie des bald 30 Jahre jungen Porsche-Klassikers nicht stört, haben sie mit einem unmissverständlichen „Basst scho!“ kundgetan. Frei übersetzt: „Schon in Ordnung – weitermachen!“ Gut möglich, dass es der Anblick der noblen Erscheinung mit 52.000 Kilometern Original-Laufleistung auch für sie eine willkommene Abwechslung darstellt. Ein KW-Gewinde-Sportfahrwerk der Variante 3 setzt die BBS-Räder mit den gekreuzten Speichen besonders gut in Szene. Sie sind der Kernaspekt des um 25 PS durch Anpassung, sprich: Modifikation der Motronic und eines Sport-Katalysators leistungsgesteigerten Coupés. Kein großes Geheimnis ist der Rückbau der ursprünglichen Tiptronic. Jürgen Laster ersetzte sie in seiner Motorsport-Werkstatt in Mühldorf am Inn durch ein konventionelles Fünfgang-Schalteinheit des Typs G50.

„Diese Maßnahme hat dem Porsche eine fahr-aktive Seele gegeben“, stellt Stefan fest, „das Getriebe ist gestrahlt und revidiert worden. Das RS-Schwungrad unterstützt die Beschleunigung. In Verbindung mit dem KW-Fahrwerk, den Rädern natürlich und den einstellbaren Domlagern läuft es unglaublich gut.“ Als er die Fahrertür öffnen, um den Radeinschlag zu korrigieren, offenbart sich eine Vollausstattung aus dunkelblauem Leder. Sie schließt sowohl den kleinen Lenkkranz des Dreispeichen-Volants ebenso wie die Recaro-Profilschalensitze mit ein. Einen Überrollbügel oder -käfig sucht man aber vergebens. Dazu erklärt Stefan, dass ein Überrollschutz den Spannungsbogen aus Klassik und Moderne nur gestört hätte. Vielleicht meint er auch die Harmonie, die vom Teppichsatz und dem Leder in der Wagen-Außenfarbe ausgeht. Alles wirkt unverbraucht, angesichts der moderaten Kilometerleistung wäre wohl kaum etwas anderes zu erwarten. Ein Gutachten bescheinigt zurzeit 92.000 EUR Wiederbeschaffungswert. „Jetzt muss ich aber los!“, unterbricht der Protagonist.

Einige Stunden danach, Manuel hat im schwarz-grünen 991 auf der Strecke fulminant aufgegeigt, setzt sich die Bestandsaufnahme fort. Inzwischen hat sich Bernhard Fischer dazugesellt. Eigentlich ist der Zahntechniker-Meister aus Pullach mit eigenem dentaltechnischem Labor der Veranstalter der P9 Challenge. Im Zweit- oder Drittberuf beschäftigt er sich mit BBS-Sonderrädern aus dem Rennsport, die er zum Beispiel für Anwendungen im historischen Metier oder auf der Straße adaptiert. Auch Stefan hat Fischers Dienste in Anspruch genommen, die sich von der Konzeption und Beratung über die TÜV-Eintragung bis hin zum Anwärmen und Anpassen der Innenradhäuser erstreckt. Den Impuls dazu verdankt der langjährige Präsident des Porsche Clubs Vierseen eigenen Einsätzen im Clubsport. 1990 legte er sich eines der letzten G-Modelle zu, um es drei Wochen nach dem Erwerb auf dem nahen Salzburgring in der Wertung für seriennahe Porsche-Fahrzeuge am Limit zu bewegen.

„Das war ein harter Gang“, erinnert sich Fischer, „ich war Solist in meiner Klasse.“ Als er 1995 im 993 angekommen war, versuchte er sich auch einmal auf einem Satz BBS-Räder. „Ich wusste natürlich von meinen Sportfahrer-Kollegen, welche Radsterne auf der Rennstrecke eher brechen als andere“, erzählt er, „die Kenntnisse wandte sich an und echte das exakt richtige BBS-Produkt aus – auch für Freunde und Kunden wie Stefan. Der ist auf Dreiteilern in 8,5J x 18 vorn mit Michelin in 225/40-18 und hinten auf 10J x 18 mit 265/35-18. „Drei Jahre haben wir an der TÜV-Prüfung mit eigenem Festigkeitsgutachten gearbeitet“, berichtet Bernhard Fischer und stellt in Aussicht, „dass wir auch eine neue Lösung für den 993 in Vorbereitung haben.“ Warum überhaupt BBS-Rennsporträder für die Straße? „Einmal ist aufgrund ihres spezifischen Gewichts die Dynamik besser als bei einer Serien- oder Tunerfelge“, weiß der Besitzer und Fahrer eines 2009 im GT-Masters eingesetzten Porsche 911 (997) Cup S, „außerdem sind Produkte für den Motorsport solider ausgeführt. Sie müssen einfach mehr aushalten!“

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„Wir können auch individuelle Radsterne, zum Beispiel für den BBS-Typ E55, aus Magnesium realisieren“, führt Bernhard Fischer weiter aus. „Ein früherer DTM-Pilot hat sie für seinen Porsche 997 mit Doppelturbo-Umbau in Auftrag gegeben.“ Für Stefan sind das Dimensionen, die er nicht anstrebt, Der Unternehmensberater aus München ist froh, dass ihm der Porsche, den sein Vater 1992 als Neuwagen bestellte, zum Rückkauf angeboten worden ist. „Ein Stück Familiengeschichte, das ich in Ehren halten werde“, reflektiert der Enddreißiger. Sein Ausblick in die Zukunft: „Vielleicht eine neue Lackierung in der Originalfarbe, mehr nicht!“ Sein Bruder Manuel, der knapp an einem Podiumsplatz vorbeigefahren ist, würde es sich eher eine frische Folierung wünschen. Sein Cup-Renner des Jahrgangs 2014 ist von Kampfspuren gezeichnet. Bei aller Nähe und Verwandtschaft: ein paar Unterschiede gibt es natürlich auch. So ist das eben mit den Kreuzspeichen und den Lebenslinien: Manchmal überschneiden sie sich, manchmal auch nicht – wen stört’s, wenn klassische Schönheiten wie der 964er auf BBS der Spezifikation E28 dabei herauskommen?

Verantwortlich für Bild und Text: Carsten Krome, netzwerkeins GmbH

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Veröffentlicht am: 31 Jan 2022 um 09:11

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