Feature | Geschichten aus dem DMV GTC und dem Dunlop 60

‚Benni Hey‘, Schütz Motorsport und der Porsche 911 GT3 R (Typ 991.1)

Eigentlich ist der Porsche 911 im internationalen GT-Rennsport alles andere als eine Ausnahmeerscheinung. Denn trotz eines Netto-Anschaffungspreises von 429.000 Euro bietet er ein kalkulierbares Preis-Leistungsverhältnis. Im DMV GTC ist die (derzeit noch) aktuelle GT3-Version der Generation 991.1 ein gern gesehener Exot. ‚Benni Hey‘ pilotiert das zurzeit einzige Exemplar der Serie, und das mit gutem Erfolg. Carsten Krome traf den Privatfahrer mit Pseudonym und sein Einsatzteam, Schütz Motorsport, im französischen Burgund.

Hey, Benni, Hey!

DMV GTC: Privatier im Porsche 911 GT3 R mischt im GT-Establishment ganz oben mit.

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Porsche-911-GT3-R-Generation-991-Benni-Hey-DMV-GTC-2018-Dijon-5288 © Carsten Krome Netzwerkeins

Dijon-Prénois, 27. April 2018, in den frühen Abendstunden: Längst nähert sich die Sonne den Hügeln, die die Rennstrecke im Burgund sanft umrahmen. In der frisch sanierten Boxengasse herrscht dennoch reges Treiben. Soeben ist das Dunlop 60, ein Einstunden-Rennen für die Teilnehmer am DMV GTC, zu Ende gegangen. Sofort nach der Siegerehrung widmen sich die meisten Teams schon wieder der Vorbereitung auf das nächste Ereignis. In den frühen Morgenstunden des Samstags nehmen sie zunächst das Qualifying für den zweiten Rennlauf auf und anschließend gleich das erste Rennen – es geht Schlag auf Schlag beim DMV GTC, und das passiert aus gutem Grund: Der straff gehaltene Zeitplan soll Kosten möglichst effizient nutzen – nicht allein bei der Anmietung der Rennstrecken und der anteiligen Weiterberechnung über die Nenngebühren der Fahrerinnen und Fahrer, sondern auch auf Seiten ihrer Dienstleistungspartner, der Teams. Jeder Betriebstag muss nun einmal von Kunden finanziert werden, vom Mechanikerlohn bis hin zur Unterbringung im Hotel. Ralph Monschauer, der das Veranstaltungsformat des Dunlop 60 und des DMV GTC gemeinsam mit seiner Frau Lena organisiert,  ist sich dieser Zusammenhänge bewusst. Der Verleger aus Lohmar ist ein Freund klarer Strukturen und unkomplizierter Abläufe. Und er argumentiert: „Auch wenn sich viele unserer Aktiven wünschen, auf weiter entfernten Strecken wie zum Beispiel in Dijon, auf dem Red Bull Ring oder in Monza zu fahren, so haben sie doch stets die Möglichkeit, am Samstagabend nach dem zweiten Rennen den Weg zurück in die Heimat anzutreten und den Sonntag bei ihren Familien zu verbringen. Wir setzen ganz bewusst auf dieses Konzept – Motorsport ist zwar schön und bereitet große Freude, aber die Zahl der Rennstreckentage sollte für alle überschaubar bleiben.“

‚Benni Hey‘ hat dieser Ansatz überzeugt. Der Unternehmer aus der Recycling-Branche stammt aus der bayerischen Rhön. Vor einigen Jahren verlegte er den Geschäfts- und Wohnsitz nach Walldorf-Werra in Thüringen. Dort beschäftigt er 20 feste Mitarbeiter. Nicht nur er weiß: Zeit ist Geld! Und wer in kürzester Zeit eine Rennstrecke umrunden will, der muss eben Geld in die Hand nehmen – ein klares Geschäft, das die Motorsport-Abteilungen der meisten Automobil-Hersteller inzwischen virtuos beherrschen. Besonders beliebt: Rennsport-Ausführungen aktueller Serien-Sportwagen gemäß FIA-GT3-Reglement. Porsche trat 2009 mit dem Modell 911 Cup S (Generation 997) in diesen Markt ein und stellte mit dem 911 GT3 R (ebenfalls Typ 997) bereits vor Weihnachten desselben Jahres das Nachfolgemodell vor. Auch ‚Benni Hey‘ sicherte sich eine solche GT3-Version, um sie im österreichischen Porsche Alpenpokal einzusetzen. Vor diesem Beschluss trieb der Hobby-Rennfahrer als Teampartner von Johannes Paczynski einen Porsche 911 RSR der Generation 993 um die Nürburgring-Nordschleife. Zusammen mit Heinz-Josef Bermes und Thomas Koll kamen sie beim 24-Stunden-Rennen 2003 auf dem guten zwölften Gesamtrang ins Ziel. Anschließend stieg er auf einen Porsche 911 turbo (Typ 996) um, dem in der Langstrecken-Meisterschaft Nürburgring (VLN) der ganz große Durchbruch allerdings verwahrt blieb. Ohne zornigen Blick zurück berichtet ‚Benni Hey‘: „Mit dem Doppellader tobe ich noch immer auf unseren heimischen Straßen umher. Der hat 800 PS – offen, ohne jede Luftmengen-Begrenzung – und macht einfach großen Spaß!“ Während er dies mit einem verschmitzten Lächeln erzählt, sitzt er an einer Biertisch-Garnitur inmitten seiner Box. Um ihn herum wuselt ein halbes Dutzend Rennmechaniker, die dem Team Schütz Motorsport aus Bobenheim-Roxheim in Rheinland-Pfalz angehören. Sie übernehmen den Service seines 2016 in Dienst gestellten 911 GT3 R, der auf der ersten Entwicklungsstufe der Generation 991 basiert und seit 2015 direkt ab Werk zu beziehen (gewesen) ist – zu einem Anschaffungspreis von 429.000 Euro. Übrigens ohne das ‚Initialisierungspaket‘, das Porsche Motorsport seinen Kunden zur ersten Inbetriebnahme anbietet.

Für Porsche-Enthusiasten wie ‚Benni Hey‘ ist es dennoch gut angelegtes Geld, denn ‚Elfer‘ mit dokumentierter Historie sind auf dem Sammler- und Investorenmarkt auch nach ihrer Rennkarriere gefragt – oder gerade dann. Denn inzwischen hat die Weissacher Denkfabrik ein Nachfolgemodell vorgestellt – wie zuletzt am 15. Mai 2015 anlässlich des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring. Der Neue, der natürlich auf der zweiten Evolutionsstufe der Generation 991 aufbaut – darum auch 991.2 –, ist in vielen Details noch einmal verbessert worden. Lieferbar wird er allerdings erst zum Jahresende sein – üblich ist eine Halbwertzeit von drei Jahren für einen heutigen GT-Rennboliden. Für ‚Benni Hey‘ ist dies eine gute Gelegenheit, mit ausgereiftem Material die Schnellsten im DMV GTC und im Dunlop 60 zu fordern. Er tut dies mit der ihm eigenen Konsequenz. Beim Saisonauftakt auf dem Hockenheimring griff er nach dem Start des zweiten Wertungslaufs auf der ungünstigeren Außenbahn nach der Führung, schaffte dies auch und musste sich nur einem technisch bedingten Phänomen beugen. Die Dunlop-Reifen bauen gegen Rennende anders ab als die Michelin-Pneus, für die der Porsche ursprünglich entwickelt worden ist. Das setzt einen intensiven Lern- und- Gewöhnungseffekt voraus, und ‚Benni Hey‘ steckt mittendrin. Die Zusammenarbeit mit Christian Schütz läuft im zweiten Jahr, der Rennstallbesitzer aus Rheinland-Pfalz bringt viel Know-how aus dem ADAC-GT Masters in die Verbindung mit ein – und nicht nur das: Er platziert auch junge, vielversprechende Nachwuchs-Rennfahrer im Porsche-Cockpit. Beim letztjährigen Saisonfinale am 5. Oktober 2017 auf dem Hockenheimring war es zunächst Marvin Dienst aus Lampertheim, in Dijon im April 2018 dann der Schwabe Laurents Hörr. Eigentlich im Le Mans Cup mit einem Prototypen der LMP3-Kategorie am Start, führte er sich gleich mit einer Trainingsbestzeit in die Szene ein. Im Qualifying zum Dunlop 60 bolzte er den 911 GT3 R in die erste Startreihe. Dass ein Young Professional wie er ein Quäntchen mehr aus dem plusminus 500 PS leistenden Heckmotor-Boliden herausholt, liegt auf der Hand, und damit hat auch ‚Benni Hey‘ kein Problem, im Gegenteil. Er findet es spannend, mit Uwe Alzen mal wieder ein Rennen zu fahren – dieses Vergnügen hatte er 2004 zuletzt, als der Westerwälder das ‚Turbinchen‘ seines Bruders Jürgen Alzen durch die Eifel katapultierte. Auf der Nürburgring-Nordschleife war von 2003 bis zum Quasi-Totalschaden zwei Jahre später kaum ein Auto schneller als der Porsche 911 (996) turbo der Alzen-Brüder aus Betzdorf.

Im DMV GTC und beim Dunlop 60 sitzt Uwe Alzen inzwischen in den Cockpits eines Lamborghini Huracán GT3 sowie eines AMG-Mercedes GT3. In Dijon-Prénois sichert sich der Berufsfahrer zwei Siege und einen dritten Platz; auch ‚Benni Hey‘ erhält bei der Siegerehrung für den dritten Platz in einem der beiden Wertungsläufe im DMV GTC einen Pokal. Das Miteinander von Profis und Amateuren ist harmonisch, meist teilen sich Kunde und Referenzfahrer ein Auto. Das wäre bei Uwe Alzen nicht anders gewesen. Seine Mitstreiterin Suzanne Weidt fällt im Burgund freilich aus, und so fährt der langjährige Werkspilot für Porsche – mit absehbarem Resultat angesichts seiner Extraklasse. Ansonsten sind die Kräfteverhältnisse im Vorderfeld auffallend ausgewogen. Der Mix der Marken von Lamborghini über Mercedes-Benz, BMW, Audi und Porsche bis zu Exoten wie dem Praga R1 T aus der Slowakei könnte kaum umfassender sein. Und mit Carrie Schreiner (19), Sarah Toniutti sowie Evi Eizenhammer mischen in vorübergehender Abwesenheit von Suzanne Weidt drei weitere schnelle Damen unter den ersten Zehn mit. Über alledem steht jedoch die familiäre Atmosphäre, die an die Langstrecken-Meisterschaft Nürburgring (VLN) kurz nach der Jahrtausendwende erinnert. Nicht umsonst hat Rennorganisator Ralph Monschauer im Winter einen passenden Slogan formuliert: „DMV GTC. Unsere Serie“. Man nimmt ihm gerne ab, dass er es damit ernst meint.  Zurück in der Box von Schütz Motorsport und ‚Benni Hey‘, macht auch er auf seinem Rundgang nach dem Einstunden-Rennen des Dunlop 60 gerne Station. Sofort werden ihm ein Steak vom Grill, frisches Brot und ein Bier angeboten – dem Chronisten dieser Geschichte übrigens auch. „So muss das sein!“, reibt sich der Mann mit Pseudonym die Hände, „darum sind wir doch hier – einerseits zum Rennen fahren, andererseits aber auch, um miteinander eine gute Zeit zu verbringen!“ Der große Ulrich ‚Ulli‘ Richter aus Essen, vor 17 Jahren auf der Nürburgring-Nordschleife in der Ausübung seines Hobbys tödlich verunglückt, hat es einmal so auf den Punkt gebracht: „Rennen fahren mit Freunden vor Freunden zur Freude.“ Während dieser Geist ausgerechnet dort, wo er einmal aufgekommen ist, mehr und mehr abhanden kommt, lebt er an anderer Stelle weiter – wie in Dijon-Prénois, umgeben von den sanften Weinbergen des Burgund.

Verantwortlich für den Inhalt: Carsten Krome Netzwerkeins